14.05.2018

Bundesgericht: Die strafrechtliche Beschimpfung im politischen Umfeld (6B_1270/2017, 6B_1291/2017)

Eine Person bezeichnete einen Kantonsrat im Rahmen der Hildebrand-Affäre als «Dreckslügner», «Dummkopf» und «Krimineller». Das Bundesgericht sprach den Beschuldigten letztinstanzlich frei.

Die Rechtsprechung zu den Ehrverletzungstatbeständen unterscheidet zwischen Tatsachenbehauptungen und reinen und gemischten Werturteilen. Ergehen Bezeichnungen aufgrund einer Tatsachenbasis, stellt das Bundesgericht auf die Beweisbarkeit ab, wobei der Entlastungsbeweis in der Regel zuzulassen ist. Vorliegend sei der Facebook-Post des Beschuldigten mit der «Affäre Hildebrand» im Zusammenhang gestanden, weshalb ein gemischtes Werturteil vorliege. Der Entlastungsbeweis des Beschuldigten gelinge deshalb, da eine erstinstanzliche Verurteilung stattgefunden habe (Erw. 2.3.1).

Der Ausdruck «Dreckslügner» sei zwar hart an die Grenze des Vertretbaren, sei im Zusammenhang mit dem Post für die Adressaten aber klar gewesen, auf welche Fakten der Beschuldigte sein negatives Werturteil stütze, weshalb der Entlastungsbeweis gelinge (Erw. 2.3.2). Auch der Ausdruck «Dummkopf» überschreite die Grenze des Haltbaren nicht (Erw. 2.3.3).

Das Bundesgericht führte auf, dass entscheiderheblich sei, dass die Äusserungen in einer politischen Auseinandersetzung «von einiger landesweiter Virulenz» ergingen. Eine strafrechtlich relevante Ehrverletzung dürfe in diesem Kontext nur «mit grosser Zurückhaltung» angenommen werden. Die Äusserungsfreiheit sei unverzichtbar und impliziere, dass die Akteure im politischen Meinungsstreit akzeptieren müssen, sich manchmal einer heftigen öffentlichen Kritik auszusetzen. Die Äusserungen politischer Gegner seien «nicht immer zum Nennwert» zu nehmen, da sie «oft das Denken ihrer Autoren überschreiten». (Erw. 2.4.2)

Wo die Grenze zum strafrechtlich relevanten Verhalten im politischen Kontext ist, hat das Bundesgericht nicht ausgeführt. Offensichtlich hat das Bundesgericht die Latte aber äusserst hoch angesetzt.

Andreas Dudli
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Maira Gall