16.09.2013

Nachlassverbindlichkeiten - Schutz der Erben vor einer Erbenhaftung

Im Falle des Ablebens des Erblassers erwerben die Erben die Erbschaft als Ganzes; also nicht nur die Aktiven, sondern auch die Passiven (Art. 560 Abs. 1 und 2 ZGB). Die Schulden des Erblassers werden hierbei zu den persönlichen Schulden der Erben, für die sie unbeschränkt und solidarisch, d.h. mit dem Erbschafts- und dem eigenen Vermögen einzustehen haben (Art. 603 Abs. 1 ZGB). Reichen die Aktiven des Nachlasses demzufolge nicht aus, um alle Nachlassschulden zu tilgen, so haftet zusätzlich auch das Vermögen jedes einzelnen Erben (Art. 639 Abs. 1 ZGB). Die solidarische Haftung der Miterben gegenüber Dritten verjährt mit Ablauf von fünf Jahren nach der Teilung oder nach dem Zeitpunkt, auf den die Forderung später fällig geworden ist (Art. 639 Abs. 2 ZGB). 

Im Falle eines überschuldeten Nachlasses oder bei Unkenntnis der Vermögenssituation des Erblassers sieht das Recht verschiedene Möglichkeiten vor, wie sich die Erben davor schützen können, mit dem eigenen Vermögen für die Schulden des Erblassers einstehen zu müssen: 

Ausschlagung 

Die Erben haben die Möglichkeit, die ihnen zugefallene Erbschaft auszuschlagen. Ausschlagung bedeutet, durch Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde die Annahme einer Erbschaft oder die Annahme eines Vermächtnisses zu verweigern (Art. 566 Abs. 1 ZGB). Die Ausschlagungsbefugnis ist vererblich (Art. 569 Abs. 1 ZGB). Die Frist zur Ausschlagung beträgt drei Monate (Art. 567 Abs. 1 ZGB) und beginnt für die gesetzlichen Erben – soweit sie nicht nachweisbar erst später vom Erbfall Kenntnis erhalten haben – mit dem Zeitpunkt, da ihnen der Tod des Erblassers bekannt geworden ist. Für die eingesetzten Erben beginnt sie mit dem Zeitpunkt, da ihnen die amtliche Mitteilung von der letztwilligen Verfügung des Erblassers zugekommen ist. Die Ausschlagungsfrist kann nur in Ausnahmefällen erstreckt bzw. wiederhergestellt werden (Art. 576 ZGB). Dazu muss die gesuchstellende Partei dartun, dass ihr eine rechtzeitige Erklärung aus wichtigen Gründen nicht zuzumuten war. Rechtsunkenntnis genügt nicht. Die Ausschlagung von Vermächtnissen ist nicht befristet. Das Recht zur Ausschlagung verwirkt derjenige Erbe, der innerhalb der Ausschlagungsfrist (i) sich in die Angelegenheiten der Erbschaft einmischt (Aneignung von Erbschaftssachen), (ii) Handlungen vornimmt, die nicht mehr durch die blosse Verwaltung der Erbschaft und den Fortgang der Geschäfte des Erblassers gefordert waren, (iii) sich Nachlasswerte angeeignet hat, (iv) Erbschaftsgegenstände verheimlicht hat (Art. 571 Abs. 2 ZGB) und (v) die Ausschlagungsfrist unbenutzt ablaufen lässt. Die unbedingte und vorbehaltslose Ausschlagungserklärung ist mündlich oder schriftlich zuhanden der zuständigen Behörde abzugeben (Art. 570 ZGB). Ist die Zahlungsunfähigkeit der verstorbenen Person offensichtlich oder gar amtlich festgestellt - etwa bei zahlreichen offenen Betreibungen oder beim Vorliegen von Verlustscheinen -, so wird die Ausschlagung von Gesetzes wegen vermutet (Art. 566 Abs. 2 ZGB). Die Erben treten in diesem Fall nur dann in die Rechte und Pflichten der verstorbenen Person ein, wenn sie den Nachlass gegenüber der zuständigen Behörde ausdrücklich annehmen. Schlagen alle Erben die Erbschaft aus, so gelangt sie zur Liquidation durch das Konkursamt (Art. 573 Abs. 1 ZGB). Verbleibt nach der Bezahlung der Schulden wider Erwarten ein Überschuss, so steht dieser trotz Ausschlagung den ursprünglich Berechtigten zu (Art. 573 Abs. 2 ZGB). Der ausschlagende Erbe verliert seine Erbenstellung und sein ausgeschlagener Erbteil vererbt sich, wie wenn er den Erbfall nicht erlebt hätte (Art. 572 Abs. 2 ZGB). Die Haftung nach Art. 579 Abs. 1 ZGB bleibt vorbehalten. 

Öffentliches Inventar 

Häufig haben die Erben nicht genügend Kenntnisse über die Vermögensverhältnisse des Erblassers, um ohne weiteres entscheiden zu können, ob sie eine Erbschaft annehmen sollen oder nicht. In diesem Falle können die Erben ein öffentliches Inventar verlangen und müssen erst nach Vorliegen des Inventars erklären, ob sie die Erbschaft annehmen oder ausschlagen wollen. Das Begehren muss innert Monatsfrist an die Behörde, bei welcher die Ausschlagung zu erklären ist, gestellt werden (Art. 580 Abs. 1 und 2 ZGB). Das öffentliche Inventar wird durch die zuständige Behörde nach den Vorschriften des kantonalen Rechts errichtet (Art. 581 Abs. 1 ZGB) und besteht aus (i) einem Verzeichnis der Vermögenswerte samt Schatzung für jedes Inventarstück und (ii) Verzeichnis der Schulden der Erbschaft. Die zuständige Behörde erlässt einen Rechnungsruf (Art. 582 ZGB), bei welchem die Gläubiger und Schuldner des Erblassers durch öffentliche Bekanntmachung aufgefordert werden, ihre Forderungen und Schulden innert angegebener Frist (mindestens 1 Monat) anzumelden. Nach Abschluss des Inventars wird jeder Erbe aufgefordert, sich binnen einer u.U. erstreckbaren Monatsfrist über den Erwerb der Erbschaft auszusprechen (Art. 587 Abs. 1 ZGB). Hierbei bestehen folgende Wahlmöglichkeiten: (i) Annahme der Wahl unter öffentlichem Inventar, (ii) vorbehaltlose Annahme, (iii) Begehren um amtliche Liquidation oder (iv) Ausschlagung. Stillschweigen bewirkt die Annahme unter öffentlichem Inventar (Art. 587 Abs. 2 ZGB). Nimmt ein Erbe nach Vorliegen des öffentlichen Inventars die Erbschaft an, so haftet er nur für diejenigen Schulden, die im Inventar aufgelistet sind (Art. 589 Abs. 1 ZGB) und nicht auch noch für die mit Verschulden des Gläubigers nicht im Inventar aufgeführten Schulden. 

Erbverzicht 

Der überschuldete Erblasser kann zu Lebzeiten mit einem Erben einen Erbverzichtsvertrag oder Erbauskaufvertrag abschliessen (Art. 495 Abs. 1 ZGB). Der Verzichtende fällt damit beim späteren Erbgang als Erbe ausser Betracht (Art. 495 Abs. 2 ZGB). Der Vertrag wirkt vorbehältlich einer anderen vertraglichen Vereinbarung auch gegenüber den Nachkommen des Verzichtenden (Art. 495 Abs. 3 ZGB). Wie bei der Ausschlagung der Erbschaft sieht das Gesetz auch hier eine Haftung des Verzichtenden vor, sofern (i) dieser innerhalb von 5 Jahren vor dem Tode von diesem Vermögenswerte erhalten hat, (ii) der Erblasser zur Zeit der Eröffnung des Erbganges zahlungsunfähig ist und (iii) die Gläubiger nicht von den Erben befriedigt werden (Art. 497 ZGB). 

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Maira Gall