In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wanderten rund 330‘000 Schweizer aus. Nebst den Nachbarländern gehörten die USA, Argentinien, Brasilien und Chile zu den beliebtesten Zieldestinationen der schweizerischen Auswanderer. Während sich die ersten Nachfahren der Auswanderergeneration ihrer schweizerischen Wurzeln noch bewusst waren, ging dieses Bewusstsein mit der Zeit oft verloren. Nicht selten jedoch interessieren sich spätere Generationen wieder vermehrt für ihre Herkunft. Der vorliegende Abriss soll in aller Kürze einen Überblick über den Erhalt, den Verlust und den Wiedererwerb (i.w.S.) des Schweizer Bürgerrechts schaffen.
Das schweizerische Bürgerrecht folgt dem Prinzip des ius sanguinis, wonach allein die Abstammung und nicht der Geburtsort für das Bürgerrecht massgebend ist. Kinder eines schweizerischen Elternteils sind grundsätzlich von Geburt an Schweizer (Art. 1 BüG); dies über unbegrenzt viele Generationen hinweg, unabhängig vom Geburtsland. Ist ein Schweizer Kind allerdings im Ausland geboren und hat es noch eine andere Staatsangehörigkeit, muss es sich vor Vollendung des 22. Lebensjahr bei den schweizerischen Behörde melden, ansonsten es das Schweizer Bürgerrecht verliert (Art. 10 BüG). Wer diese Meldung Unterlassen hat, kann innert 10 Jahren ein Wiedereinbürgerungsgesuch stellen. Nach Ablauf dieser Frist kann die Wiedereinbürgerung nur verlangen, wer mit der Schweiz eng verbunden ist (Art. 21 BüG). Was aber wenn die Grosseltern Schweizer Bürger waren, deren Kinder indes nie einer schweizerischen Behörden gemeldet wurden? Können die Enkel das Schweizer Bürgerrecht wiedererlangen? Die Kinder der Schweizer Grosseltern sind von Gesetzes wegen als Schweizer Bürger geboren. Mangels Meldung, haben diese ihr Bürgerrecht mit der Vollendung des 22. Lebensjahrs jedoch verwirkt. Als Kinder ausländischer Eltern, besitzen die Enkel daher zum Zeitpunkt der Geburt lediglich die ausländische Staatsbürgerschaft. Konnten die Enkel das Schweizer Bürgerrecht allerdings nur deshalb nicht erwerben, weil der schweizerische Elternteil vor ihrer Geburt das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, können sie erleichtert eingebürgert werden; vorausgesetzt, die Enkel sind eng mit der Schweiz verbunden (Art. 31b BüG).
Bei der „engen Verbundenheit mit der Schweiz“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher nicht lückenlos umschrieben werden kann. Grundsätzlich wird eine enge Verbundenheit mit der Schweiz bejaht, wenn der Bewerber (i) die Schweiz mehrmals besucht hat und zudem noch (ii) mehrere in der Schweiz wohnhafte Referenzpersonen angeben kann. Wichtige Kriterien sind weiter (iii) die Fähigkeit, sich in einer schweizerischen Landessprache zu verständigen; (iv) Interesse für das Geschehen in der Schweiz und Grundkenntnisse über Geographie und politisches System der Schweiz; (v) Kontakte zu Auslandschweizern; sowie (vi) Kontakte zu Auslandschweizerorganisationen. Grundsätzlich müssen alle vorgenannten Kriterien erfüllt sein. Ein bloss teilweise vorhandenes (oder gänzlich fehlendes) Kriterium kann jedoch durch das klare Vorliegen eines anderen ersetzt werden. Weiter förderlich sind (vii) eine Tätigkeit für ein schweizerisches Unternehmen oder eine Organisation im In- oder Ausland oder (viii) der Besuch einer Schweizer Schule im Ausland. Berücksichtigt wird auch, wer ausgewandert ist; je weniger Generationen zwischen dem Bewerber und dem ausgewanderten Vorfahren liegen, desto wahrscheinlicher sind bestehende Bindungen zur Schweiz. Die Kriterien einer „engen Verbundenheit mit der Schweiz“ sind jeweils fallbezogen zu betrachtet. So kann bei Personen mit Wohnsitz in weiter entfernten Ländern, wie z.B. Brasilien, allenfalls bereits ein einziger (längerer) Aufenthalt in der Schweiz ausreichen. Auch muss nicht unbedingt eine schweizerische Landessprache beherrscht werden, insofern die anderen Voraussetzungen gegeben sind (vgl. Handbuch Bürgerrecht, Kapitel 4, Ziffer 4.7.2.4 sowie Urteil C-1210/2006 des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2007 betr. erleichterte Einbürgerung eines Bewerbers aus Brasilien).
Gastautor Michaël C. Duc ist schweizerischer Rechtsanwalt und Berater für schweizerisches Recht in Curitiba, Brasilien (OAB/PR 00002-C).