22.10.2013

BGer 1C_515/2012: Wiederaufbauverbot von Ferienhäusern auf der St. Petersinsel

Die St. Peters (Halb)Insel im Bielersee ist von Erlach aus über den Heidenweg zugänglich. Im östlichen Teil, in der ehemaligen Klosteranlage, befinden sich ein Hotel und ein Restaurant mit verschiedenen Nebenbauten sowie eine Schiffsanlegestelle. Am Südufer, etwa auf halber Länge der Insel, gibt es rund 25 Ferienhäuser. Im Übrigen ist die St. Petersinsel weitgehend frei von Bauten und Anlagen.

Die Halbinsel ist als Objekt Nr. 275 im Inventar der Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung verzeichnet (MoorLV; SR 451.35). Sie figuriert zudem als Objekt Nr. 1301 im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (VBLN; SR 451.11), als Objekt Nr. 222 der Verordnung vom 28. Oktober 1992 über den Schutz der Auengebiete von nationaler Bedeutung (Auenverordnung; SR 451.31). Geschützt sind zudem die Flachmoore als Objekt Nr. 2383 (FMV; SR 451.33) und die gesamte Halbinsel als im Wasser- und Zugvogelreservat von nationaler Bedeutung Nr. 111 liegend (WZVV; SR 922.32). 

Im Rahmen der Uferschutzplanung hielt das Amt für Gemeinden und Raumordnung mit Verfügung vom 22. April 2010 fest: «Bestehende Bauten und Anlagen, die rechtmässig erstellt wurden, dürfen unterhalten, aber nicht ausgebaut und erweitert werden. Der Wiederaufbau bestehender oder zerstörter Bauten und Anlagen ist unzulässig». Das Ferienhausgebiet ist gleichzeitig mit den Moorgebieten (durch die Juragewässerkorrektur) entstanden und unterscheidet sich weder in geographischer noch geologischer Hinsicht signifikant von der umliegenden Umgebung. Es weist lediglich aufgrund seiner früheren intensiven landwirtschaftlichen Nutzung keinen Moorcharakter auf. 

Das Bundesgericht hielt in seinem Urteil fest, dass in Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von gesamtschweizerischer Bedeutung weder Anlagen gebaut noch Bodenveränderungen vorgenommen werden dürfen. Art. 78 Abs. 5 BV räumt dem Schutz von Mooren und Moorlandschaften absoluten Vorrang ein und belässt keinen Raum für eine Abwägung mit anderen Interessen im Einzelfall (BGE 138 II 281). Nach ständiger Praxis des Bundesgerichts bleibt für weitere als die in Art. 23d Abs. 2 NHG umschriebenen Nutzungen nur ein sehr enger Raum. Unzulässig sind insbesondere Erweiterungen von bestehenden Bauten und Anlagen sowie Neubauten, es sei denn, diese dienten - direkt oder indirekt - dem Schutz der Moorlandschaft. Die Ferienhäuser weisen keinen Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Nutzung der Flachmoorgebiete auf, sondern dienen ausschliesslich Erholungszwecken. Sie gehören auch nicht zum historischen Klosterkomplex. 

Für diese Auslegung spricht auch Art. 8 MoorLV. Danach werden die Kantone beauftragt, bestehende Beeinträchtigungen von Objekten bei jeder sich bietenden Gelegenheit soweit als möglich zu beheben. Bauten und Anlagen, die weder dem Biotopschutz dienen noch zu den charakteristischen Elementen der Moorlandschaft gehören, stellen grundsätzlich eine Beeinträchtigung der landschaftlichen Schönheit dar (Art. 4 Abs. 1 MoorLV). Werden sie zerstört, so würde es daher den Schutzzielen und insbesondere Art. 8 MoorLV widersprechen, ihren Wiederaufbau zu bewilligen. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Ferienhäuser mit dem Schutz der Wasser- und Zugvögel kollidieren und ihr Wiederaufbau deshalb schon nach Art. 23d Abs. 1 NHG verneint werden muss. Schliesslich widerspricht das streitige Wiederaufbauverbot auch nicht der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV). Der Wiederaufbau gehört nicht zum Kern der Eigentumsgarantie, da es nicht um den Schutz der bestehenden Substanz und der dafür getätigten Investition geht. 

Das Wiederaufbauverbot ist eine geeignete, erforderliche und verhältnismässige Massnahme, um die Beeinträchtigung der Moorlandschaft durch die Ferienhäuser und ihre Nutzung zumindest längerfristig zu beseitigen.

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Maira Gall