29.09.2015

BGE 4A_710/2014: Die Anscheinsbevollmächtigung bei juristischen Personen

Bekanntlich kann es aus verschiedenen Gründen wichtig sein, die Verjährung einer Forderung zu unterbrechen. Dies erfolgt durch einen entsprechenden Verjährungseinredeverzicht, Betreibung oder aber durch Anhänigmachen der Klage. Das Bundesgericht hatte einen Fall einer Kette von Verjährungseinredeverzichten zu prüfen. Der Schuldner, eine juristische Person, liess die Verzichtserklärung durch eine Person unterzeichnen, die nur kollektiv zeichnungsberechtigt war. Schliesslich brachte sie im Forderungsprozess vor, dass die Verjährung eingetreten sei.

Das Bundesgericht musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob dennoch eine gültige Stellvertretung der Schuldnerin gem. Art. 32 Abs. 1 OR erfolgte. Eine stillschweigende (interne) Bevollmächtigung kann auch aus Duldung oder Anschein beansprucht werden (vgl. BGE 120 II 197). Eine (interne) Anscheinsbevollmächtigung liegt vor, wenn einerseits der Vertretene keine Kenntnis hat, dass ein anderer sich als sein Vertreter ausgibt, er bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit das Vertreterhandeln aber hätte erkennen müssen, und andererseits der Vertreter das Verhalten des Vertretenen nach Treu und Glauben als Bevollmächtigung auffassen darf. Wenn der Vertretene von der Vertretung weiss, aber nicht einschreitet, liegt eine (interne) Duldungsvollmacht vor (Erw. 4.1 mit Verweis auf bundesgerichtliche Rechtsprechung). Ein Beweisverfahren brachte in dieser Angelegenheit hervor, dass der Vorgesetzte desjenigen, der die Erklärung unterzeichnete, wusste, dass teilweise alleine unterzeichnet wurde. Ausserdem kristallisierte sich im Beweisverfahren hervor, dass diese Vorgehensweise bei der Schuldnerin üblich war.

Aufgrund dessen kam das Bundesgericht entgegen den Vorinstanzen zum Schluss, dass die Schuldnerin (die Vertretene) bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit das Vertreterhandeln hätte erkennen müssen (Erw. 4.4.2). Zuletzt ist es für eine (interne) Anscheinsbevollmächtigung erforderlich, dass der Vertreter (hier: derjenige, der die Verzichtserklärung unterzeichnete) das Verhalten des Vertretenen nach Treu und Glauben als Bevollmächtigung auffassen darf. Dies war hier der Fall, wie sich im Beweisverfahren durch Zeugenaussagen herausstellte.
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Maira Gall