18.04.2015

Notariatsrecht – Verstoss gegen das Ansehen des Notariats

Im vorliegenden Fall (Entscheid der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern vom 18. September 2014, BN 2015, S. 23 ff.) hatte sich die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern (JGK) mit den Berufspflichten des Notars im Zusammenhang mit dem Ansehen des Notariats auseinanderzusetzen.

Im Rahmen einer Erbteilung (mit einem Rohvermögen von ca. CHF 2'300'000.00) stellt ein Notar für seine Arbeiten ein Honorar von CHF 11'220.00 in Rechnung. Die Klientschaft stellt daraufhin ein Gesuch um amtliche Festsetzung von Gebühren und Auslagen gemäss Art. 54 NG BE. In der Stellungnahme des Notars enthielt der entsprechende Rechnungsposten den Hinweis «Richtlinien des Verbandes bernischer Notare (VbN)». Die erwähnten Richtlinien wurden jedoch vom VbN im Jahr 2003 aufgehoben. Die JGK eröffnete daraufhin ein Disziplinarverfahren zur Prüfung eines allfälligen Verstosses gegen das Ansehen des Notariatsstandes gemäss Art. 45 Abs. 1 NG BE.

In einem ersten Schritt (E. 2.) klärte die JGK den Gegenstand des Verfahrens, da nur die hauptberufliche Tätigkeit des Notars durch die Aufsichtsbehörde überprüft werden kann (vgl. Art. 29 NG BE). Die JGK darf die Höhe einer Honorarforderung (aus der Nebentätigkeit) nicht verbindlich festsetzen. Hierfür sind im Kanton Bern die Zivilgerichte zuständig.

Verletzt der Notar vorsätzlich oder fahrlässig Berufspflichten oder verstösst er gegen die Bestimmungen des Notariatsgesetzes (NG BE) und seiner Ausführungserlasse (NV BE; GebVN BE), das Gebot der unabhängigen und einwandfreien Berufsausübung oder gegen das Ansehen des Notariats, wird sie oder er unabhängig von der vermögens- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit disziplinarisch bestraft (vgl. Art. 45 Abs. 1 NG BE). Der Notar tarifierte die Redaktion von Erbteilungsverträgen in der Regel gestützt auf die Empfehlungen des VbN – die bereits vor über 10 Jahren aufgehoben wurde – und erweckte somit wiederholt den Eindruck, es handle sich bei dem im Merkblatt festgehaltenen Tarif um einen verbindlichen oder zumindest anerkannten Tarif (E. 5.1). Die JGK erkannte darin einen Verstoss gegen das Ansehen des Notariats. Der Notar verletzte mit seinem Verhalten Treu und Glauben und schadete damit dem Vertrauen, welches die Allgemeinheit dem Notar entgegenbringen darf und muss, weshalb der Notar mit einer disziplinarischen Sanktion durch die JGK belegt wurde (vgl. E. 6.1).

Adrian Mühlematter
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Maira Gall