23.11.2014

BGE 140 III 372: Zessionar kann sich auf ein vom Zedenten erstrittenes Urteil als definitiven Rechtsöffnungstitel berufen

In einem Urteil des Kantonsgerichts Graubünden, wurde der Beschwerdeführer verpflichtet einem Dritten eine Entschädigung von rund CHF 41‘000.00 zu bezahlen. Dieser wiederum hat diese Forderung an die Beschwerdegegnerin – eine Gemeinde im Kanton Graubünden – zediert. Sie leitete in der Folge gegen den Beschwerdeführer die Betreibung der zedierten Forderung ein. Als Forderungsgrund wurde die abgetretene Forderung gemäss Urteil des Kantonsgerichts angegeben. Der Beschwerdeführer erhob Rechtsvorschlag. Die Beschwerdegegnerin ihrerseits gelangte in der Folge ans Bezirksgericht und verlangte die definitive Rechtsöffnung. Das erstinstanzliche Gericht erteilte ihr stattdessen die provisorische Rechtsöffnung und stützte sich dabei auf die bisherige Praxis, wonach dem Zessionar, welcher sich eine Forderung aus einem Gerichtsurteil hat abtreten lassen, nicht die definitive, sondern die provisorische Rechtsöffnung gewährt wird. Eine dagegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wurde vom Kantonsgericht abgewiesen, weshalb er schliesslich mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt, die Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung sei zu verweigern.

Im vorliegenden Fall musste das Bundesgericht beurteilen, ob die Auffassung des Kantonsgerichts richtig ist, welche die provisorische Rechtsöffnung bzw. die Aberkennungsklage mit Bezug auf die Rechtsnachfolge erlaubt, oder jene des Beschwerdeführers, der jede Möglichkeit zur Rechtsöffnung verneint.

Bei der Beurteilung dieser Frage stützten sich die höchsten Richter auf einen Entscheid aus dem Jahre 1998 (BGE 5P.322/1998 nicht publ.). Damals wurde ausgeführt, dass mit Blick auf die Wirkung der Abtretung gemäss Art. 170 OR auf die Betreibung derjenige, der eine Forderung erwirbt - welche dem Zedenten in einem rechtskräftigen Urteil zugesprochen wurde - in der Betreibung gegen den Schuldner die definitive Rechtsöffnung erhalten könne (E.3.2.1). 

Auch nach der Lehre könne im Fall, dass die Rechtsnachfolge durch Urkunde nachgewiesen sei, zu Gunsten des Rechtsnachfolgers definitive Rechtsöffnung gewährt werden, weil provisorische Rechtsöffnung für eine auf einem definitiven Rechtsöffnungstitel beruhende Forderung nicht möglich sei (E. 3.2.2).

Nach Rechtsprechung und Lehre trete der Zessionar einer in Betreibung stehenden Forderung in die betreibungsrechtliche Stellung des Zedenten ein; er erwerbe die "Legitimation zum Verfahren" und könne daher die Betreibung in dem Stadium, in das sie getreten sei, nun in eigenem Namen fortsetzen. Die Betreibungsrechte würden als "Vorzugs- und Nebenrechte" gelten, welche bei der Zession gemäss Art. 170 OR auf den Erwerber übergehen würden. Bei dieser Sichtweise gebe es keinen Raum, ein gerichtliches Urteil auch für die Rechtsgültigkeit der Zession zu verlangen, damit die definitive Rechtsöffnung gewährt werden könne. Es sei vielmehr die abgetretene Forderung, die dem Zessionar entweder die provisorische oder definitive Rechtsöffnung erlaube. Wenn sich der Zessionar einer Forderung, welcher Vollstreckbarkeit zukomme, über die Berechtigung ausweise, gäbe es keinen Grund, ihm das Recht zu verweigern, in gleicher Weise wie der Zedent gegen den Schuldner vorzugehen und die definitive Rechtsöffnung zu verlangen (E.3.3.1).

Die Vorinstanz gebe hingegen zu bedenken, dass der Schuldner im Fall, dass der Zedent mit der abgetretenen Forderung die definitive Rechtsöffnung verlangen könne, gegenüber dem Zessionar bzw. der "gerichtlich noch nicht beurteilten Abtretungserklärung" ungenügend geschützt sei. Dem sei entgegenzuhalten, dass die Rechtsnachfolge liquide sein müsse. Es dürfe bzw. müsse die Rechtsöffnung verweigert werden und der Gläubiger auf einen zweiten Prozess verwiesen, wenn die Rechtsnachfolge nicht liquide erscheine (E.3.3.3). 

Nach dem Dargelegten sei die im Bundesgerichtsurteil aus dem Jahre 1998 geäusserte und vorherrschende Rechtsauffassung überzeugend. Wenn das Kantonsgericht gestützt auf das von der Beschwerdegegnerin vorgelegte Urteil dennoch die provisorische Rechtsöffnung für möglich halte, sei dies mit Bundesrecht nicht vereinbar. Die Beschwerde sei begründet und das angefochtene Urteil sowie die provisorische Rechtsöffnung seien antragsgemäß aufzuheben (E.3.4).

In einer letzten Erwägung führt das Bundesgericht aus, dass bezüglich der Art der Rechtsöffnung der Grundsatz der Bindung an Begehren der Parteien keine Anwendung finde. Der Richter könne ungeachtet eines auf definitive Rechtsöffnung lautenden Antrages unter Wahrung des rechtlichen Gehörs die provisorische Rechtsöffnung - oder das Umgekehrte – bewilligen. Im vorliegenden Fall kann die provisorische Rechtsöffnung – wie in E.3.4 ausgeführt – nicht erteilt werden. Da die Vorinstanz die Voraussetzungen zur definitiven Rechtsöffnung nicht geprüft habe, sei die Sache für das Bundesgericht nicht spruchreif und das Kantonsgericht müsse über die Rechtsöffnung neu befinden. Es kann reformatorisch anstelle der provisorischen die definitive Rechtsöffnung erteilen. Die Sache ist daher zur weiteren Entscheidung über das Rechtsöffnungsbegehren im Sinne der Erwägungen an das Kantonsgericht zurückzuweisen (E.3.5).

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Maira Gall