16.12.2013

Nicht zustellbare Vorladung muss amtlich publiziert werden (BGE 6B_652/2013, NZZ vom 12.12.2013)

Eine Vorladung zur Gerichtsverhandlung muss notfalls im Amtsblatt veröffentlicht werden, wenn sie wegen Unzustellbarkeit dem Gericht retourniert wird. Die Zustellungsfiktion ist in einen solchen Fall nicht anwendbar. 

In BGE 6B_652/2013 ging es um einen in erster Instanz verurteilten Mann, der gegen den Entscheid am Obergericht Zürich Berufung einlegte. Das Gericht setzte die Verhandlung am 4. April 2013 um 08.00 Uhr an. Die dem Berufungsführer zugestellte Vorladung kam mit dem Vermerk "Empfänger konnte unter angegebener Adresse nicht ermittelt werden" zurück. Nachforschungen ergaben, dass der Empfänger sich „nach unbekannt“ abgemeldet hatte. Die Verfahrensleitung informierte die Verteidigung am 27. März 2013, dass die Vorladung als zugestellt gelte. Anlässlich der Verhandlung am 4. April 2013 – an welcher der Berufungsführer nicht erschien – verspätete sich die Verteidigerin um 20 Minuten und wurde nicht mehr zur Verhandlung zugelassen. In der Folge wurde das Verfahren wegen Rückzugs der Berufung abgeschrieben. Dagegen erhob der Berufungsführer Beschwerde beim Bundesgericht. 

Die Vorinstanz war der Auffassung, dass analog der Zustellungsfiktion von Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO die Vorladung zugegangen sei. Der Berufungsführer habe schliesslich vom hängigen Verfahren gewusst und mit in diesem Prozess zusammenhängenden Zustellungen rechnen müssen. Zudem trage er die Verantwortung für seine Erreichbarkeit. Verreise er jedoch während des laufenden Verfahrens ohne seine Adresse zu melden, so bekunde er ein gewisses Desinteresse bezüglich der Teilnahme am Verfahren. Bei dieser Ausgangslage sei davon auszugehen, der Beschwerdeführer wolle auf die Teilnahme an der Berufungsverhandlung verzichten. 

Das Bundesgericht führte hingegen aus, dass nicht von einer Zustellung habe ausgegangen werden können, weil die Vorladung nämlich gar nicht bei der Post zur Abholung hinterlegt wurde. Sie wurde retourniert, weil der Empfänger unter der angegeben Adresse nicht ermittelt werden konnte. Die Zustellungsfiktion könne daher nicht angewendet werden. Da die Vorinstanz den Aufenthaltsort des Berufungsführers nicht habe ausfindig machen können, hätte sie die Vorladung stattdessen in Anwendung von Art. 88 Abs. 1 lit. a StPO im Amtsblatt veröffentlichen müssen. Weil keine ordnungsgemässe Vorladung zur Berufungsverhandlung erfolgte, konnte der Berufungsführer dem Gerichtstermin gar nicht unentschuldigt fernbleiben. Das Verfahren hätte daher nicht wegen Rückzugs abgeschrieben werden dürfen. Die Sache müsse demnach zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen werden. 

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Maira Gall