09.07.2013

Revidiertes Erbschaftssteuerabkommen Frankreich - Schweiz und dessen rechtliche Folgen

1. Einleitung 
Zwischen der Schweiz und Frankreich wird mit grosser Wahrscheinlichkeit ein neues, aus schweizerischer Sicht ungünstigeres Erbschaftssteuerabkommen ("Doppelbesteuerungsab-
kommen zwischen der Schweiz und Frankreich auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern") in Kraft treten. Dieses umstrittene Erbschaftssteuerabkommen ist nach Nachverhandlungen bereit für die Unterzeichnung, wozu der Bundesrat nun sein Einverständnis erteilt hat. Gelten werden diese neuen Regelungen erst, sofern das Schweizer Parlament das Abkommen genehmigt hat und die Referendumsfrist ungenutzt abgelaufen ist. 

Die erste Fassung des Abkommens war letzten Sommer im Eiltempo zustande gekommen, nachdem Frankreich die Revision des geltenden Abkommens aus dem Jahr 1953 verlangte. Frankreich wollte nicht mehr tolerieren, dass französische Erben von in der Schweiz wohnhaft gewesenen Personen die französischen Erbschaftssteuern umgehen können. 

2. Inhalt des revidierten Abkommens 
Der genaue Wortlaut des neuen Abkommens wird erst öffentlich, wenn dieses unterzeichnet wird. Schon jetzt wird aber klar, dass der definitive Abkommensentwurf namentlich folgende weitgehende Zugeständnisse an Frankreich vorsieht: 
  • Frankreich wird künftig Erbschaften von Franzosen mit französischem Wohnsitz besteuern können, auch wenn die verstorbene Person in der Schweiz gelebt hat und sich im Nachlass beispielsweise Immobilien in der Schweiz befinden. Diese Besteuerungsmöglichkeit gilt auch dann, wenn es sich beim Erben nicht um einen Franzosen, sondern um einen Schweizer handelt. Frankreich rechnet bei diesem Sachverhalt lediglich allfällige in der Schweiz erhobene Erbschaftssteuern an die französischen Steuern an; 
  • der französische Fiskus darf neu auch dann auf Erbschaften von schweizerischen Erblassern zugreifen, wenn einzig die Erben in Frankreich Wohnsitz haben, und nicht nur der Erblasser. Damit es zu einer derartigen Besteuerung kommt, müssen die Erben während mindestens acht der letzten zehn Jahre in Frankreich gewohnt haben; 
  • Frankreich kann unter dem revidierten Abkommen in Frankreich gelegene bewegliche körperliche Sachen eines Erblassers mit Wohnsitz in der Schweiz besteuern. Bisher war dies nur für in Frankreich liegenden Hausrat möglich. Neu werden beispielsweise auch Goldbarren oder Schmuck erfasst. Nach wie vor nicht von Frankreich besteuert werden können in Frankreich gelegene Wertschriften oder Bankkonten von Schweizer Erblassern;
  • in Frankreich gelegene Liegenschaften werden künftig auch dann von Frankreich besteuert, wenn der in der Schweiz wohnhafte Erblasser diese nur indirekt besass; etwa mittels Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft, welche französische Liegenschaften hält. Gerade mit Blick auf die Erbschaftssteuer halten viele Schweizer ihre französischen Liegenschaften über eine solche Immobiliengesellschaft (sog. société civile immobilière; S.C.I.). So werden heute die Anteilscheine einer solchen Gesellschaft als bewegliche Vermögenswerte angesehen und geben somit die Möglichkeit, gegebenenfalls als nachteilig empfundene Bestimmungen des französischen Erbrechts zu umgehen, da bewegliche Vermögenswerte im Erbfall nach dem Recht in dem Land behandelt werden, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Da Frankreich dieses Konstrukt bei einem Erbgang neu besteuern kann, wird eine Steuerlücke geschlossen. Für die Besteuerung von Immobiliengesellschaften gibt es jedoch eine Untergrenze: mit Unterzeichnung des Abkommens soll Frankreich künftig über Gesellschaften gehaltene Liegenschaften nur dann besteuern dürfen, wenn der Erblasser oder dessen Familie die Gesellschaft mindestens zur Hälfte besitzt und die Liegenschaft mindestens einen Drittel der Aktiven dieser Gesellschaft ausmacht. 

3. Exkurs: Lösungsansätze hinsichtlich Immobiliengesellschaften 
Es ist empfehlenswert, sich vor Inkrafttreten des neuen Erbschaftssteuerabkommens mit möglichen Optionen für bestehende französische Immobiliengesellschaften auseinanderzusetzen. Ein Ansatz besteht darin, die Immobiliengesellschaften noch vor Inkrafttreten des Abkommens an Nachkommen (oder Dritte) zu verschenken. Dies würde zwar unter Umständen eine beachtliche französische Schenkungssteuer auslösen, hätte aber den Vorteil, dass künftige Wertzuwächse vom französischen Fiskus nicht mehr erfasst werden. Zudem gelten für Schenkungen unter gewissen Bedingungen tiefere Steuersätze, als bei Erbschaften. Und schliesslich stehen Freibeträge nach Ablauf einer Frist erneut zur Verfügung. Eine weitere Möglichkeit ist die heutige Veräusserung der Immobiliengesellschaft an die Nachkommen (oder Dritte) und den Kaufpreis als Darlehen stehen zu lassen. Im Erbschaftsfall würde dann mittels einer Verfügung von Todes wegen das Darlehen erlassen. Da es sich bei einem Darlehen um bewegliches Vermögen handelt, liegt der massgebende Anknüpfungspunkt in der Schweiz und nicht in Frankreich. 

Bei der Abklärung der geeigneten hiervor erwähnten Vorgehensweise sind auch die Entwicklungen im Zusammenhang mit der zustande gekommenen schweizerischen Erbschaftssteuerinitiative im Auge zu behalten. 

4. Fazit revidiertes Erbschaftssteuerabkommen 
Die französische Erbschaftssteuer fällt erheblich höher aus als die schweizerische - sofern letztere überhaupt anfällt. Gemäss dem bisherigen Abkommen aus dem Jahre 1953 stand das Besteuerungsrecht einzig dem Wohnsitzstaat des Erblassers zu. Trotz der diversen Zugeständnisse an Frankreich trifft es jedoch zu, dass das revidierte Abkommen besser ist, als ein vertragsloser Zustand, weil dann im Bereich der Erbschaftssteuern gar keine Doppelbesteuerungen mehr verhindert werden könnten. 

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Maira Gall