01.08.2017

Retrozessionen: Verjährung der Herausgabeansprüche auf Versicherungsprämien

Das Bundesgericht hat mehrmals bestätigt, dass ein Beauftragter im Rahmen des Auftragsverhältnisses alle von Dritten erhaltenen Retrozessionen, die in einem inneren Zusammenhang zur Auftragsausführung stehen dem Auftraggeber herauszugeben hat, sofern keine anderslautende Vereinbarung getroffen wurde (BGE 138 III 755). Das Bundesgericht hat sich nun erstmals auch zur Verjährungsfrist von Retrozessionen geäussert (BGE 4A_508/2016; siehe auch Medienmitteilung des Bundesgerichts vom 3. Juli 2017). Dieser Entscheid ist von grosser Bedeutung, da Kunden oft erst nach mehreren Jahren erfahren, dass ihr Beauftragter wie beispielsweise ein Vermögensverwalter oder Versicherungsagent Retrozessionen erhalten hat.

Sachverhalt: Eine internationale Organisation (Klägerin) hatte 1994 eine Beratungsgesellschaft für Versicherungen (Beklagte) mit der Entwicklung und Organisation eines Versicherungskonzepts beauftragt. In der Folge schloss die Klägerin verschiedene Verträge mit Versicherungen ab. Im Jahr 2005 erfuhr die Klägerin, dass die Beklagte Anteile der von der Klägerin bezahlten Prämien als Retrozessionen erhalten hatte. Hiernach forderte die Klägerin in einer 2007 eingereichten Klage die Herausgabe der Retrozessionen.

Verjährungsfrist von 10 Jahren
: Gemäss Art. 127 OR beträgt die ordentliche Verjährungsfrist für Forderungen zehn Jahre. Eine Verjährungsfrist von nur fünf Jahren gilt für periodische Leistungen wie Miet- und Kapitalzinsen (Art. 128 Ziff. 1 OR). Das Bundesgericht hält fest, dass der Anspruch auf Herausgabe von Retrozessionen keine solche periodische Leistung aus einem Dauerschuldverhältnis darstellt. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist hierfür nämlich erforderlich, dass der Anspruch auf demselben Schuldgrund bzw. auf einem einheitlichen Schuldgrund beruht oder geschuldet ist (BGE 139 III 263, E. 1.1; BGE 4C.207/2006, E. 2.2.1). Dies ist nach Auffassung des Bundesgerichts nicht gegeben, da der Herausgabeanspruch des Auftraggebers von Retrozessionen aus der Tatsache entsteht, dass der Beauftragte die Retrozessionen von Dritten erhalten hat und damit jede einzelne Herausgabeverpflichtung des Beauftragten auf einer separaten Grundlage beruht. Für die Herausgabe von Retrozessionen gilt damit die ordentliche Verjährungsfrist von zehn Jahren (BGE 4A_508/2016, E. 5.2.1).

Beginn der Verjährungsfrist: Das Genfer Obergericht (Vorinstanz) vertrat die Auffassung, dass die Verjährungsfrist mit Beendigung des Auftragsverhältnisses beginnt. Das Bundesgericht hebt diesen Teil des vorinstanzlichen Entscheids auf und hält fest, dass die Verjährungsfrist nach jedem Erhalt einer Retrozessionszahlung zu laufen beginnt. Die Rechenschaftspflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR bildet die Voraussetzung und Grundlage der Ablieferungs- oder Herausgabepflicht und nach Auffassung des Bundesgerichts lassen Retrozessionen jeweils im Umfang eines jeden einzelnen Betrags sogleich eine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Auftraggeber entstehen. Dies ist damit auch der Zeitpunkt, in dem der Herausgabeanspruch entsteht und fällig ist, unabhängig davon ob der Auftraggeber von der Forderung und der Fälligkeit Kenntnis hat oder haben könnte (BGE 4A_508/2016, E. 5.3.1).

Claude Ehrensperger
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Maira Gall