22.10.2016

BGer 2C_916/2014 und 2C_917/2014: Geldbussen mit Strafcharakter sind steuerlich nicht abzugsfähig für juristische Personen

Das Bundesgericht hat in seinen Entscheiden von Ende September 2016 (Urteile 2C_916/2014 und 2C_917/2014) die steuerliche Abzugsfähigkeit von Bussen und anderen finanziellen Sanktionen mit Strafcharakter für juristische Personen verneint. Solche Bussen qualifizieren gemäss den Richtern in Lausanne nicht als geschäftsmässig begründeter Aufwand. Die Abschöpfung unberechtigt erzielter Gewinne durch Sanktionen ohne Strafcharakter ist hingegen steuerlich relevant. Solche Sanktionen dienen gemäss Bundesgericht lediglich dazu, den korrekten Zustand wiederherzustellen. Der letztinstanzliche Entscheid stützt damit die Position des Steueramts Zürich und stellt sich gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich. Der Fall wurde zur erneuten Prüfung zurückgewiesen.

Hintergrund bildet der Fall eines Zürcher Treuhandunternehmens, welches im Jahr 2009 von der Europäischen Wettbewerbskommission aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Verstössen gebüsst wurde. Wie im Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts (SB.2014.00011) nachzulesen ist, bestand das fehlbare Verhalten des Unternehmens im Wesentlichen aus „administrative Arbeiten im Umfeld von sich nach europäischem Wettbewerbsrecht als verpönt herausstellenden Absprachen“. So wurden beispielsweise Zusammenkünfte der Kartellmitglieder organisiert oder Besprechungsräumlichkeiten zur Verfügung gestellt sowie Protokolle und Statistiken erstellt. Das Treuhandunternehmen bildete im Zusammenhang mit der noch nicht rechtskräftigen Verurteilung durch die Europäische Wettbewerbskommission Rückstellungen. In der Folge rechnete das Steueramt Zürich diese Rückstellungen steuerlich wirksam im Reingewinn und im Eigenkapital auf.

Im schweizerischen Unternehmenssteuerrecht gilt, dass die zivilrechtlichen Bewertungsgrundsätze im Grundsatz auch für das Steuerrecht verbindlich sind (sog. Massgeblichkeit der Handelsbilanz). Die Steuerbehörden müssen also auf die handelsrechtskonform erstellte Bilanz und Erfolgsrechnung abstellen. Es sei denn steuerrechtliche Vorschriften ermöglichen bzw. verlangen eine Abweichung hiervon. Bemessungsgrundlage bildet somit der handelsrechtskonforme Gewinn unter Berücksichtigung allfälliger steuerrechtlicher Korrekturen. Auf diese Weise kann die Besteuerung nach der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sichergestellt werden (Art. 127 Abs. 2 BV).

Art. 59 Abs. 1 lit. a DBG bzw. Art. 25 Abs. 1 lit. a StHG sieht explizit vor, dass Steuerbussen nicht steuerlich abzugsfähig sind. Bis anhin wurden Nicht-Steuerbussen regelmässig zum Abzug zugelassen. In seinem Urteil hielt das Bundesgericht nun fest, dass die steuerliche Abzugsfähigkeit von Bussgeldern dazu führen würde, dass die Allgemeinheit einen Teil der Geldbusse indirekt mittragen müsste. Ein solcher Einfluss des Steuerrechts wäre nicht wünschenswert und ausserdem würde so auch die Strafwirkung der entsprechenden Sanktion teilweise umgangen werden. Weiter sieht das Bundesgericht die Nicht-Abzugsfähigkeit der Bussen im Einklang mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Die überwiegende politische Haltung in der Schweiz scheint es ebenfalls zu sein, dass die Allgemeinheit nicht für "Fehltritte" von Unternehmen gerade stehen soll. Der Bundesrat hat im Dezember 2015 als Reaktion auf verschiedene Motionen die Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen eröffnet (vgl. Erläuternder Bericht zur Vernehmlassungsvorlage). Es ist damit zu rechnen, dass das Parlament die Vorlage noch im Jahr 2016 erhalten wird.

Leonhard Scheer
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Maira Gall