28.12.2015

BGer 6B_492/2015: Teilnahmerecht der beschuldigten Person im Strafverfahren

Die Teilnahmerechte von Parteien im Strafprozess sind ausgeprägt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet insbesondere auch das Recht, Belastungszeugen zu befragen (Art. 147 Abs. 1 StPO). Die Verletzung dieser Bedingungen hat zur Folge, dass belastende Aussagen nicht zulasten derjenigen Partei verwendet werden dürfen, die nicht anwesend war. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist mit "Partei" nicht nur der Pateivertreter, sondern die beschuldigte Person selbst gemeint. Dieses Konfrontationsrecht kann aber durch die Rechte des Opfers eingeschränkt werden. In diesem Fall gilt es, den Interessen des Opfers und denjenigen der beschuldigten Person angemessen Rechnung zu tragen.

Das Bundesgericht hatte in BGer 6B_492/2015 unter anderem zu beurteilen, ob die Rechte der beschuldigten Person verletzt sind, wenn diese bei der Befragung des Opfers den Saal verlassen muss. Das Bundesgericht kam in der ihm vorgelegen Beschwerdesache zum Schluss, dass das rechtliche Gehör nicht verletzt wurde. Begründet wurde es damit, dass die beschuldigte Person der Befragung von einem anderen Raum aus akustisch folgen konnte und der Parteivertreter Ergänzungsfragen stellen konnte (Erw. 1.3). Damit habe die beschuldigte Person ausreichend Gelegenheit gehabt, die Glaubhaftigkeit der Aussagen in Frage zu stellen, umso mehr als im Anschluss an die Befragung eine Befragung der beschuldigten Person stattfand.

Andreas Dudli
© LawBlogSwitzerland.ch
Maira Gall