10.10.2014

Revidierter „Swiss Code“ in Kraft

Der „Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance“ der Economiesuisse (Swiss Code) dient seit 2002 als Richtschnur für Schweizer börsenkotierte Unternehmen und gibt Empfehlungen für die Ausgestaltung ihrer Corporate Governance. Der Swiss Code hat dadurch wesentlich dazu beigetragen, dass die Schweiz heute in diesem Thema international einen Spitzenplatz einnimmt. Gesetzliche Entwicklungen wie auch das veränderte Umfeld nach der Finanzkrise - namentlich die Annahme der Initiative gegen die Abzockerei - erforderten eine Überarbeitung des Regelwerks. Nach der Vernehmlassung hat der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse die definitive Fassung des Swiss Code am 28. August 2014 verabschiedet. 

Der Swiss Code sieht namentlich spezifische Anpassungen zur Zusammensetzung des Verwaltungsrats (einschliesslich der Frauenvertretung) und zum Risikomanagement (inkl. Compliance) vor. Zudem wird der Grundsatz „comply or explain“ (vgl. die Ausführungen hiernach) eingeführt. Der neue Swiss Code nimmt bei den Neuerungen zudem auf internationale Entwicklungen sowie auf wissenschaftliche Erkenntnisse Rücksicht. Neben den eigentlichen Empfehlungen sind in einem Grundlagenbericht zusätzliche Details genauer erläutert. 

Folgende Anpassungen des Swiss Codes sind erarbeitet worden (auszugsweise): 

1. Aktionärsinteressen im Fokus
Zentrales Thema sind die langfristigen Aktionärsinteressen. Grundsätzlich handelt es sich um eine Art Verhaltenskodex für Unternehmen. Explizit erwähnt das überarbeitete Regelwerk im Rahmen der „Corporate Social Responsibility“ die Nachhaltigkeit des eigenen Handelns. 

2. Stärkung des Verwaltungsrats
Die Stellung von Verwaltungsräten soll gestärkt werden, indem langfristig deren Unabhängigkeit sichergestellt werden soll. Verwaltungsräte nehmen im Geflecht der Interessen von Eigentümern und Management eine Sonderstellung ein. Dabei stimmen die Interessen der Verwaltungsräte nicht mit jenen der Aktionäre überein. Verwaltungsräte müssen sowohl das Gesamtinteresse des Unternehmens wahren als auch den Ansprüchen der Aktionäre gerecht werden. Dem Unternehmen und den Aktionäre ist am besten gedient, wenn der Verwaltungsrat als Gremium möglichst unabhängig agieren kann. Anpassungen erfolgten auch im Zusammenhang mit der Besetzung von Verwaltungsräten. Bei der Vertretung von Frauen in Verwaltungsräten hat der Swiss Code allerdings bewusst darauf verzichtet, eine Quote zu benennen. Vertreter von Economiesuisse verweisen auf das Beispiel Finnland. Auch wenn diesbezüglich dort keine Quote festgeschrieben ist, hat sich der Anteil von Frauen in Verwaltungsräten sukzessive auf das Niveau jener Länder eingependelt, die eine Quotenpflicht eingeführt haben. Die im Swiss Code verankerte Diversität geht gemäss den Vertretern von Economiesuisse aber über das Anliegen der Frauenvertretung hinaus. Berufserfahrung spielt eine Rolle, oder die Vertretung international tätiger Investoren.

3. Comply or explain
Für Unternehmen in der Schweiz enthält der Swiss Code umfassend Empfehlungen zur Ausgestaltung der Corporate Governance. Neu sollen Unternehmen die Gründe für Abweichungen von den Empfehlungen des Swiss Code erläutern. Der Grundsatz dabei lautet „comply or explain“. 

4. „One share one vote“ nicht erwähnt
Im Zusammenhang mit der Stärkung der Aktionärsdemokratie drehen sich die Diskussionen um den Grundsatz „One share one vote“. Beispielsweise geben viele an der SIX Swiss Exchange kotierte Unternehmen Aktien mit unterschiedlichen Nennwerten und Stimmrechtsbeschränkungen heraus, was nach Ansicht von Rechtsexperten die Gleichbehandlung der Aktionäre verletzt. Die Rechte von Aktionären seien dann am besten gewahrt, wenn es nur noch eine Kategorie von Aktien gebe und wenn auf Eintragungs- oder Stimmrechtsbeschränkungen verzichtet werde. Die Ethos Stiftung bedauert, dass in der überarbeiteten Version das Prinzip „One share one vote“ unerwähnt bleibt. Sie begründet die Kritik mit der Tatsache, dass sich die Beschränkung auf eine Kategorie von Aktien und der Verzicht auf Eintragungs- oder Stimmrechtslimiten international bereits als Prinzip durchgesetzt haben. Es fehlen jedoch wissenschaftliche Grundlagen dafür, dass Unternehmen, die den Grundsatz umgesetzt haben, mehr Erfolg haben. Deshalb lasse sich das Anliegen „One share one vote“ nicht in jedem Fall bis in letzter Konsequenz durchsetzen. 

5. Corporate Governance und Compliance
In Unternehmen umfasst die Corporate Governance alle internationalen und nationalen geltenden Regeln, Standards, Gesetze und Vorschriften, aber auch Werte und eigene statutarische Grundsätze. Im Fokus stehen dabei die Führung, Lenkung und Überwachung von Unternehmen, also Kerninhalte des Controllings. Neben den gesetzlichen Vorschriften unterstellen sich Unternehmen dabei auch freiwillig bestimmten Regeln. Als gute Corporate Governance verstanden werden beispielsweise die langfristige Ausrichtung der Unternehmensstrategie sowie der Einbezug der Interessen aller Anspruchsgruppen, insbesondere aber der Aktionäre. Corporate Governance beinhaltet zudem den sachgemässen Umgang mit Risiken, beispielsweise mittels eines Internen Kontrollsystems oder eines ausgebauten Risikomanagements. Zur Funktionsfähigkeit von Unternehmensleitungen gehört zudem der Verzicht auf eine Personalunion von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sowie auf Kreuzverflechtungen. Nach der neuen Version des Swiss Code müsste ein Unternehmen begründen, warum ein Mitglied des Verwaltungsrats zugleich Teil des Vergütungsausschusses ist. Als Abgrenzung vom übergeordneten Begriff der Corporate Governance steht bei der Compliance die interne Kontrolle zur Einhaltung von Gesetzen und Regelwerken wie etwa Rechnungslegungsstandards im Vordergrund. 

Ausstehend ist in der Schweiz noch die Revision des Aktienrechts. Voraussichtlich wird sich das eidgenössische Parlament erst im Herbst 2015 mit der Revision befassen. Bis das neue Aktienrecht in Kraft ist, dürften noch Jahre vergehen. So lange wollte Economiesuisse mit der Überarbeitung nicht warten. Nach der Revision des Aktienrechts muss der Swiss Code allerdings erneut angepasst werden. 

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Maira Gall