06.04.2014

EuGH-Urteil C-314/12: Webseiten & Urheberrechtsverletzungen - Sperren bei Internet Service Providern per Gerichtsanordnung zulässig

Gemäss Urteil C-314/2012 der vierten Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 27. März 2014 müssen Internet Service Provider (ISP) unter bestimmten Voraussetzungen Websites sperren; vorliegend ging es um die Blockade der Webseite "kino.to" (vgl. Pressemitteilung Nr. 38/14):

Konkret haben zwei Filmproduktionsgesellschaften festgestellt, dass mehrere Filme ohne ihre Zustimmung auf der früheren Website „kino.to“ angesehen und sogar heruntergeladen werden konnten. Der betroffene ISP wurde von den erstinstanzlichen nationalen Gerichten (auf Antrag) verpflichtet, den Zugang zu "kino.to" für seine Kunden zu sperren. 

Die erstinstanzlichen Urteile wurde weitergezogen; das in letzter Instanz mit diesem Rechtsstreit befasste nationale Gericht ersucht den EuGH um Auslegung der EU-Richtlinie 2001/29/EG über das Urheberrecht und der unionsrechtlich anerkannten Grundrechte. Diese Richtlinie sieht u.a. vor, dass Rechteinhaber den Erlass von Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung der Rechte der Rechteinhaber genutzt werden.

Der betroffene ISP war vorliegend der Auffassung, dass er nicht als Vermittler im vorgenannten Sinne qualifiziert werden könne: er argumentierte, dass eine solche Anordnung ihm gegenüber gar nicht getroffen werden dürfe. Im massgeblichen Zeitraum habe er nämlich in keiner Geschäftsbeziehung zu den Betreibern von "kino.to" gestanden; ferner gebe es keinen Beleg dafür, dass die eigenen Kunden rechtswidrig gehandelt hätten. Jedenfalls könne jede der möglichen Sperren technisch umgangen werden, und schließlich seien einige der Sperren teuer. 

Der EuGH hielt daraufhin u.a. fest, dass ein ISP "der seinen Kunden den Zugang zu Schutzgegenständen ermöglicht, die von einem Dritten im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden", ein "Vermittler" im Sinne der EU-Richtlinie 2001/29/EG sei. Ferner sei "kein besonderes Verhältnis zwischen der das Urheberrecht verletzenden Person und dem Vermittler, gegen den eine Anordnung erlassen werden kann" erforderlich. "Es muss auch nicht nachgewiesen werden, dass die Kunden des Anbieters von Internetzugangsdiensten tatsächlich auf die Schutzgegenstände zugreifen, die auf der Website des Dritten zugänglich sind. Die Richtlinie verlangt nämlich, dass die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten treffen müssen, um ihr nachzukommen, Verstöße gegen das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte nicht nur abstellen, sondern ihnen auch vorbeugen sollen".

Schliesslich bleibe durch eine Anordnung zur Blockade der Webseite "kino.to" der "Wesensgehalt des Rechts des Anbieters von Internetzugangsdiensten auf unternehmerische Freiheit unangetastet. Zum einen überlässt sie [die Anordnung zur Blockade] es ihrem Adressaten, die konkreten Maßnahmen zu bestimmen, die zur Erreichung des angestrebten Ziels zu treffen sind, so dass er sich für die Umsetzung derjenigen Maßnahmen entscheiden kann, die seinen Ressourcen und Möglichkeiten am besten entsprechen und mit den übrigen von ihm bei der Ausübung seiner Tätigkeit zu erfüllenden Pflichten und Anforderungen vereinbar sind. Zum anderen ermöglicht sie es ihm, sich von seiner Haftung zu befreien, indem er nachweist, dass er alle zumutbaren Massnahmen ergriffen hat". 

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Maira Gall