08.11.2013

Die Verteilung von Prozesskosten im Scheidungsverfahren bei Klagerückzug

Art. 106 ZPO legt als Grundnorm der Verteilung von Prozesskosten fest, dass die Prozesskosten der unterliegenden Partei auferlegt werden. Als unterliegend gilt auch jene Partei, die eine Klage zurückzieht. Art. 107 ZPO wiederum sieht für einige typisierte Fälle vor, dass von dieser Grundregel abgewichen werden kann und diese Kosten nach Ermessen verteilt werden können, u.a. in familienrechtlichen Verfahren (lit. c). Das Bundesgericht musste sich im Entscheid von 22. August 2013 (BGer 5A_352/2013) genau damit befassen und der Frage nachgehen, wie sich beim Klagerückzug die Grundregel zur Sonderbestimmung verhält.

Es hielt fest, dass Art. 107 ZPO eine „Kann“-Bestimmung sei. Das Gericht verfüge im Anwendungsbereich dieser Norm nicht nur über Ermessen, wie es die Kosten verteilen will, sondern zunächst und insbesondere Ermessen über die Tatsache, ob überhaupt von der Grundregel von Art. 106 ZPO abgewichen werden soll. Ein billiger Kostenentscheid liege insbesondere bei Scheidungen auf gemeinsames Begehren auf der Hand, da es sinnwidrig wäre, hier von obsiegenden und unterliegenden Parteien zu sprechen. Das Bundesgericht ist zwar generell der Auffassung, dass das Scheidungsverfahren die Einigung der Ehegatten über die Scheidung und ihre Folgen begünstige, insbesondere wenn im Verfahren eine Einigung erzielt werden könne. Entgegen der Vorinstanz kam das Bundesgericht aber zum Schluss, dass dieser Grundsatz nicht zur Anwendung komme, wenn die Klage zurückgezogen werde – und es somit gar nie zu einer Einigung kommen könne. Das Gesetz regle die Kostenverteilung bei Klagerückzug deutlich. Angesichts dessen, dass es sich bei Art. 107 ZPO um eine „Kann“-Vorschrift handle, müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass die Kosten bei Rückzug der Scheidungsklage grundsätzlich der klagenden Partei aufzuerlegen seien (Erw. 3).

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Maira Gall