20.08.2013

Entdeckung des Mangels bei Unternehmenskaufverträgen

Matthias Wolf und Simone Ehrsam besprechen in GesKR 2013 (S. 299ff.) das Urteil 4A_321/2012 des BGer und fassend es wie folgt zusammen:

(1) Gemäss BGer sind auf Unternehmenskaufverträge grundsätzlich die Gesetzesbestimmungen über den Fahrniskauf (Art. 187 ff. OR) anwendbar.

(2) Bei einem Share Deal (d.h. einem Unternehmenskauf durch Erwerb von Aktien [Art. 622 ff. OR] bzw. Anteilen [Art. 773 ff. OR]), bezieht sich die gesetzliche Gewährleistung nur auf den Bestand und Umfang der veräusserten Aktien bzw. Anteile und nicht auf die Vermögenswerte der Gesellschaft.

(3) Haben die Parteien Fristen und Modalitäten der Geltendmachung eines Mangels durch Vereinbarung anders als im Gesetz vorgesehen geregelt, ist deren Inhalt in erster Linie durch subjektive Auslegung und, falls der subjektive übereinstimmende Parteiwille nicht feststellbar ist, durch objektivierte Auslegung nach dem Vertrauensprinzip zu ermitteln (d.h. so, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen, die ihnen vorausgegangen und unter denen sie abgegeben worden seien, verstanden werden durften und mussten).

(4) Bei einer Vereinbarung, wonach Mängel innert 30 Tagen nach Entdeckung zu rügen sind, dürfen anwaltlich vertretene und geschäftserfahrene Parteien davon ausgehen, dass diese Rügefrist zu laufen beginnt, sobald die kaufende Partei nach der gebotenen Sorgfalt vom Mangel Kenntnis haben musste.

(5) Im Zusammenhang mit der Frage nach der Entdeckung oder des Erkennenmüssens eines Mangels ist dem Unternehmenskäufer das Wissen eines von ihm in den Verwaltungsrat der erworbenen Gesellschaft entsandten Vertreters zuzurechnen. Dabei sind nicht nur die tatsächlichen Wahrnehmungen jenes Vertreters massgebend, sondern gemäss vorliegendem Fall auch jene Kenntnisse, welche der entsandte Vertreter bei sorgfältiger Erfüllung seiner Pflichten als Verwaltungsratsmitglied hätte haben müssen: konkret ging es darum, dass der einzige Verwaltungsrat aufgrund seiner gesetzlichen Pflichten und nicht erst aufgrund einer Mitteilung der Revisionsstelle von einer Korrekturbuchung bei der zu erwerbenden Gesellschaft wissen musste.

Als Konsequenz von BGE 4A_321/2012 empfehlen Wolf/Ehrsam bei der Verhandlung und Redaktion von Unternehmenskaufverträgen näher zu regeln, wann eine verletzte Zusicherung oder Garantie als entdeckt gilt, ob ein "Kennenmüssen" bzw. ein "fahrlässiges" Nichterkennen als Entdeckung zu gelten hat und damit eine Rügefrist auslöst.

Michal Cichocki
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Maira Gall