30.07.2013

Behandlung einer Aussageverweigerung anlässlich der Hauptverhandlung im abgekürzten Verfahren

Mit der neuen StPO hat der Gesetzgeber auch das abgekürzte Verfahren gemäss Art. 358 ff. StPO eingeführt. Demnach kann der Beschuldigte bei einer Freiheitsstrafe unter 5 Jahren ein abgekürztes Verfahren beantragen. In der Praxis wird dieses vielfach durch die Staatsanwaltschaft angeregt. Bedingung ist, dass die beschuldigte Person den für die rechtliche Würdigung wesentlichen Sachverhalt eingesteht und die Zivilansprüche im Grundsatz anerkannt werden.

In der Folge muss die beschuldigte Person gemäss Art. 360 Abs. 2 StPO innert 10 Tagen erklären, ob sie der Anklageschrift zustimmt oder nicht. Es ist explizit erwähnt, dass diese Zustimmung unwiderruflich ist. Anlässlich der Hauptverhandlung muss das Gericht anschliessend nur noch feststellen, ob die beschuldigte Person den Sachverhalt anerkennt und ob die Erklärung mit der Aktenlage übereinstimmt (Art. 361 Abs. 2 StPO).

In diesem Zusammenhang stellte sich für das Bundesgericht die Frage, wie es sich verhält, wenn die beschuldigte Person seine Zustimmung vor Gericht nicht wiederholt (BGer 6B_513/2012 vom 24. Juni 2013). Im zu beurteilenden Fall hat der Beschuldigte vor Gericht keine Aussagen gemacht, da er im Nachhinein die Durchführung des ordentlichen Verfahrens für vorteilhafter ansah und er jenes durch diese Vorgehensweise zu erzwingen versuchte.

Unter Berücksichtigung zahlreicher Literaturstellen und Materialien kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Befragung der beschuldigten Person anlässlich der Hauptverhandlung ein wesentlicher Bestandteil der gesetzlich vorgesehenen Schutzmechanismen darstelle (Erw. 2.6). Auf die Bestätigung der beschuldigten Person könne aufgrund des Ausnahmecharakters des abgekürzten Verfahrens nicht verzichtet werden. Das Gericht könne bei einer Aussageverweigerung seine Prüfpflichten nicht wahrnehmen, weshalb die Akten zur Durchführung des ordentlichen Verfahrens an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen seien.

Dass mit diesem Entscheid die Unwiderruflichkeit der Zustimmung zur Anklageschrift zur Farce verkommt, nimmt das Bundesgericht damit explizit in Kauf. Aus der Perspektive der beschuldigten Person eröffnet sich damit ein Feld für mögliche Verzögerungstaktiken.

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Maira Gall