28.05.2013

Zweitwohnungsinitiative/Lex Weber – Bundesgericht anerkennt direkte An-wendbarkeit der Verfassungsbestimmung

Nach einhelliger Auffassung des Bundesgerichts (BGE Urteile 1C_646/2012, 1C_614/2012 und 1C_649/2012 vom 22. Mai 2013) ist die sogenannte „Lex Weber“ mit der Volksabstimmung in Kraft getreten, und zumindest eine klare Mehrheit in der Kammer hält sie auch für direkt anwendbar. Aus dem Lausanner Verdikt folgt als verfahrensrechtliche Konsequenz, dass alle nach dem 11. März  2012 erteilten Baubewilligungen für Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von mehr als 20% anfechtbar sind. Sofern Bewilligungen erst nach dem 1. Januar 2013 erteilt (oder rechtskräftig) werden, greift die mit der Initiative angenommene Übergangsbestimmung (Art. 179 Abs. 9 BV), laut der solche Bewilligungen sogar ungeachtet einer allfälligen Anfechtung nichtig sind.

Keine Auswirkungen hat die neue Verfassungsbestimmung auf Bewilligungen, die noch knapp vor der Annahme der Initiative rechtskräftig erteilt worden waren. 

Obwohl die von der Mehrheit im Gericht befürwortete direkte Anwendbarkeit der „Lex Weber“ dem Gesetzgeber an sich nicht mehr viel Spielraum belässt, appellierten mehrere Richter an das Parlament, jetzt rasch ein Gesetz zu erlassen, um im Interesse der Rechtssicherheit Unklarheiten zu beseitigen. Im Vordergrund stehen dürfte dabei der Begriff der Zweitwohnung selbst, der nach dem Verdikt aus Lausanne zwar direkt anwendbar, aber keineswegs restlos klar ist. 

Eindeutig bejaht wurde vom Bundesgericht die Frage der Beschwerdelegitimation von Helvetia Nostra, die von zahlreichen Rechtsgelehrten und verschiedenen kantonalen Gerichten verneint worden war. Alle fünf Mitglieder der Abteilung gingen davon aus, dass es bei der Umsetzung der „Lex Weber“ um eine Bundesaufgabe geht, was Voraussetzung für eine Verbandsbeschwerde gemäss Natur- und Heimatschutzgesetz ist (Art. 12 NHG). 

Wie die NZZ am 23. Mai 2013 berichtete, ist im Kanton Bern ein Bauvolumen von rund CHF 500 Mio. betroffen, was zur Vernichtung von Hunderten bis Tausenden von Stellen führen könnte. Im Kanton Tessin wird das durch 50 Beschwerden verlorene Investitionsvolumen auf CHF 30 bis 50 Mio. geschätzt. Der Kanton Wallis, in dem Helvetia Nostra das Gros ihrer 2'300 Beschwerden deponierte, will die Urteilsbegründung abwarten und dann seine Strategie überprüfen. In Graubünden, woher die vom Bundesgericht beurteilten Baubewilligungen stammten, sind rund 150 nach Lausanne weitergezogene Fälle betroffen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hatte im Februar eine Studie zu den volkswirtschaftlichen Konsequenzen der Zweitwohnungsinitiative publiziert. Demnach gilt es im Alpenraum einen Rückgang der Bauausgaben um CHF 1,9 Mio. oder 14% zu kompensieren. 

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Maira Gall