29.05.2013

Bundesgericht stellt staatliche Ersatzforderung über den privatrechtlichen Vergleich

Im Urteil vom 18. April 2013 fällte das Bundesgericht einen wegweisenden Entscheid in Bezug auf das Zusammenspiel eines privaten Vergleichs und der Einziehung bzw. Ersatzforderung gemäss Art. 70 bzw. 71 StGB. Die Parteien hatten vor dem Obergericht Zürich einen Vergleich per Saldo aller Ansprüche geschlossen, indem der Beschwerdeführer an die geschädigte Gesellschaft Fr. 350‘000.— bezahlte. Der Beschwerdeführer argumentierte, dass der Einziehungsanspruch des Staates untergegangen sei, da der rechtmässige Zustand gegenüber der Geschädigten widerhergestellt worden sei.

Das Bundesgericht seinerseits wertet den Einziehungs- bzw. Verwertungsanspruch höher als den Vergleich zwischen Schädiger und Geschädigtem. Die Einziehung und die staatliche Ersatzforderung beruhe auf dem Grundgedanken, dass sich strafbares Verhalten nicht lohnen dürfe. Die Einziehung sei zwingend, sie knüpfe nicht an die rechtswidrige schädigende Handlung, sondern an die Straftat an. Verzichte der Geschädigte beispielsweise im Rahmen eines Vergleichs gänzlich oder teilweise auf Schadenersatz beziehungsweise Restitution, so bleibe die schädigende Handlung gleichwohl eine Straftat und der dadurch erlangte Vermögenswert sei einzuziehen. Das Bundesgericht begründet es unter anderem damit, dass der Geschädigte zwar darüber entscheiden könne, was er vom Täter oder vom Dritten, der von der Tat profitierte, heraus verlangen will, er könne aber nicht darüber entscheiden, was der Täter oder der Dritte durch die Tat erlangt habe und behalten dürfe. Ausserdem zog das Bundesgericht seine Rechtsprechung bezüglich Einziehung von Vermögenswerten hinzu, wo eine Einziehung auch dann ansteht, wenn ein gültiger Strafantrag fehlt. Daraus folge a fortiori, dass auch ein Vergleich der Einziehung nicht entgegen stehe.

Dieser Entscheid des Bundesgerichts ist nicht ganz so konsequent, wie er auf den ersten Blick scheint. So bestätigt das Bundesgericht auf der einen Seite zwar explizit, dass die Wiederherstellung des rechtlichen Zustands durch die Entschädigung des Verletzten dem Einziehungs- und Ersatzanspruch vorgeht. Warum dieser Vorrang plötzlich nicht mehr gelten soll, wenn der Geschädigte mit dem Schädiger einen Vergleich schliesst, begründet das Bundesgericht hingegen nicht schlüssig. Die Begründung, dass der Geschädigte zwar darüber entscheiden dürfe, was er herausverlangen will, nicht aber, was der Täter durch die Tat erlangt habe und behalten dürfe, ist in Fällen, wo eine Geschädigter identifiziert werden kann (dies ist selbstredend nicht immer möglich), nicht stichhaltig.

Denn der Geschädigte wird mit dem Schädiger nur dann einen Vergleich schliessen, wenn der Schaden (insbesondere die Schadenshöhe) nur mit grossem Aufwand festgestellt werden kann und man durch den Abschluss eines Vergleichs für beide Seiten Gewissheit schaffen kann. Der Geschädigte wird beim Abschluss eines Vergleichs seine zivilrechtlichen Risiken abwägen – jedenfalls kann festgehalten werden, dass gemäss Art. 427 Abs. 1 StPO auch der Privatklägerschaft im Strafverfahren durchaus Verfahrenskosten auferlegt werden dürfen. Ausserdem geht der Geschädigte immer das Risiko, dass der Strafrichter seine zivilrechtlichen Ansprüche auf den Zivilweg verweist, was wiederum Zeit kostet.

Und zuletzt muss festgehalten werden, dass mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Vergleichsbereitschaft von Geschädigten nicht wirklich gefördert wird. Ein Geschädigter wird sich immer auf den Standpunkt stellen, einen Vergleich nicht abschliessen zu wollen, da der Staat den zivilrechtlichen Anspruch (und somit den Einziehungs- und Ersatzanspruch) allenfalls noch etwas höher sieht. Dies ist dem allgemeinen Rechtsfrieden nicht wirklich zuträglich.

Das Bundesgericht hat letztlich entschieden, dass der Staat seine monetären Ansprüche im Rahmen der Einziehung und Ersatzforderung in der Vordergrund stellen darf, auch wenn der eigentlich Geschädigte (bewusst) weniger verlangt. Nach Meinung des Autors sprengt das Bundesgericht dadurch das Strafmonopol des Staates.

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Maira Gall