05.02.2016

BGer 6B_608/2015: Verfolgungsverjährung bereits beim Erlass des Strafbefehls?

Übertretungen verjähren hinsichtlich Strafverfolgung und Strafe gem. Art. 109 StGB in drei Jahren. Die Verfolungsverjährung tritt nicht mehr ein, wenn vor Ablauf dieser Frist ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist (Art. 97 Abs. 3 StGB).

Das Bundesgericht musste in 6B_608/2015 den Fall beurteilen, ob ein Strafbefehl, gegen den Einsprache erhoben wurde, ein solches erstinstanzliches Urteil darstellt oder nicht. Der Umstand war strittig, da das anschliessende Urteil des Strafgerichts nach den drei Jahren erfolgte. Die Staatsanwaltschaft stellte sich auf die Grundlage, dass der Strafbefehl in einem kontradiktorischen Verfahren erlassen werde und auf einer umfassenden Grundlage beruhe und dass der Strafbefehl denmnach als erstinstanzliches Urteil gelten müsse, nach dessen Erlass keine Verfolgungsverjährung mehr eintreten könne.

Das Bundesgericht kam jedoch zum Schluss, dass es sich bei der Einsprache nicht um ein Rechtsmittel, sondern um einen Rechtsbehelf handle, nach dessen Erhebung der Strafbefehl dahinfalle (Erw. 1.2.2). Aus diesem Grunde fehle ihm demnach die Urteilsqualität, unabhängig davon, ob nach der Einspracheerhebung weitere Untersuchungen stattfänden. Der Beschuldigte ging somit straffrei aus, da die Verfolgungsverjährung vor dem erstinstanzlichen Urteil erging.

Andreas Dudli
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Maira Gall