27.11.2015

BGer 6B_1025/2015: Die Verhältnismässigkeit einer Nachfahrkontrolle der Polizei im Rahmen von Art. 14 StGB

Eine Nachfahrkontrolle ist gem. Art. 6 lit. c Ziff. 2 VSKV-ASTRA eine Geschwindigkeitskontrolle, die durch Nachfahren und Ermittlung der Geschwindigkeit durch einen Geschwindigkeitsvergleich zwischen dem Fahrzeug der Polizei und demjenigen des Kontrollierten durchgeführt wird. Im Rahmen einer solchen Nachfahrkontrolle hat die Kantonspolizei im Raum Zürich auf der Autobahn einen Autofahrer verfolgt, der nebst einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch diverse Fahrmanöver mehrere grobe Verkehrsregelverletzungen im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG und diverse Übertretungen begangen hat. Zur Beweissicherung hat die Kantonspolizei diese Fahrmanöver auf Video aufgezeichnet.

Der Beschuldigte monierte, dass diese Videoaufzeichnung in strafbarer Weise erhoben worden sei, weshalb das Beweismittel gem. Art. 141 Abs. 2 StPO nicht als Beweismittel verwertbar seien. Auf dem von der Polizei aufgezeichneten Video ist zu erkennen, dass auch die Polizei anlässlich der Nachfahrkontrolle diverse Übertretungen begangen hat. Der Beschuldigte monierte insbesondere, dass die Polizei den Lenker eines Lieferwagens konkret gefährdet habe, da die Polizei diesen rechts überholte.

Letztinstanzlich hatte das Bundesgericht zu diesem Sachverhalt und insbesondere zur Auslegung von Art. 14 StGB Stellung zu nehmen (BGer 6B_1025/2015). Wer sich gemäss Art. 14 StGB verhält, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, der handelt rechtmässig, auch wenn die Tat nach dem StGB oder einem anderen Gesetz mit Strafe bedroht ist. Diese Generalklausel ist auch im Polizeigesetz des Kantons Zürich nochmals verankert (§ 8 Abs. 3 PolG/ZH). Nach Rechtsprechung des Bundesgerichts können sich Polizeibeamte aber nicht auf Art. 14 StGB berufen, wenn bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Rechtsverletzungen begangen werden, die unverhältnismässig sind. Das Handeln der Polizei muss somit zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein und das beeinträchtigte Rechtsgut sowie das Ausmass der Rechtsgutverletzung müssen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen (Erw. 2.3 mit Verweis auf Rechtsprechung des Bundesgerichts).

In Bezug auf vorliegenden Sachverhalt stellte das Bundesgericht fest, dass der Lenker des Lieferwagens nicht konkret gefährdet wurde, als der Polizeiwagen rechts an ihm vorbeifuhr. Weiter hielt das Bundesgericht fest, dass die Nachfahrkontrolle nicht allein die Identifikation des Beschuldigten bezweckte, sondern auch der Erkennung und Ermittlung von Straftaten diente, welche der Beschuldigte weiterhin mehrfach beging. Demnach fasste das Bundesgericht die fraglichen Fahrmanöver der Polizeibeamten im Rahmen der Rechtsprechung zu Art. 14 StGB als verhältnismässig auf, weshalb der erhobene Beweis der Videoaufzeichnung auch im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO nicht in strafbarer Weise erhoben wurde.

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Maira Gall