14.01.2015

Bundesrat verzichtet auf Vorkaufsrecht für Gemeinden

Der Bundesrat hatte im Januar 2014 das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) bzw. das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) beauftragt, gemeinsam mit dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ein Vorkaufsrecht der Gemeinden zugunsten des preisgünstigen oder gemeinnützigen Wohnungsbaus zu prüfen. Der Bundesrat hat nun entschieden, vorerst auf die Einführung eines Vorkaufsrechts der Gemeinden zu Gunsten des gemeinnützigen Wohnungsbaus zu verzichten.

Durch den angespannten Wohnungsmarkt wurde ein Dialog zwischen Bund, Kantonen und Städten ausgelöst, der prüfen sollte, ob und auf welcher Ebene in der Wohnungspolitik ein zusätzlicher Handlungsbedarf bestehe. Eine der diskutierten Fragen betraf die Erleichterung des Zugangs für Gemeinden an Grundstücken, denn der fehlende Zugang zu geeignetem Bauland wurde als ein massgebliches Hemmnis für die Weiterentwicklung des gemeinnützigen und preisgünstigen Wohnungsbaus dargestellt. Den Einwohnergemeinden sollte ermöglicht werden, bei Grundstücksveräusserungen ein Vorkaufsrecht auszuüben, denn der Besitz und die tatsächliche Verfügbarkeit von Land sei eine Voraussetzung für eine aktive Rolle der Gemeinden bei der Förderung von preisgünstigen Wohnungen. Somit sollten die bereits bestehenden Möglichkeiten der Gemeinden und Städten zur Beeinflussung der Wohnungspolitik erweitert werden. Der Vorschlag für die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus in der Form eines gesetzlichen Vorkaufsrechts für Gemeinden wurde so auch im vergangenen Jahr mehrfach diskutiert.

Der Bericht des BWO vom 17.12.2014 zeigt auf, dass das gesetzliche Vorkaufsrecht für Gemeinden auf Grundstücken für den preisgünstigen Wohnungsbau nicht marktneutral ist und überdies mit einem grossen Aufwand bei Gemeinden und Vertragsparteien verbunden wäre. Dieses Vorkaufsrecht stelle einen Eingriff in den freien Markt dar, in dem die freie Wahl des Vertragspartners eingeschränkt wird. Damit ein solcher Eingriff in die Eigentums- und Wirtschaftsfreiheit verfassungsmässig sei, werden im Bericht verschiedene Einschränkungen des Vorkaufsrechts vorgeschlagen. So solle u.a. der Verkäufer des Grundstücks so wenig wie möglich benachteiligt sein, so dass die Gemeinden die Grundstücke nur zum Preis und den Bedingungen erwerben könnten, die der Verkäufer mit Dritten für den Kauf vorgesehen hat. Der Dritte hätte auch die Möglichkeit das Vorkaufsrecht zu verhindern, indem er sich verpflichtet, das Grundstück selber zweckmässig zu nutzen. Die Verpflichtung zur zweckmässigen Nutzung bestünde auch gegenüber den Gemeinden, denn es soll verhindert werden, dass Gemeinden blosse Kapitalanlagen einkaufen und das gesetzliche Vorkaufsrecht ausnutzen. Auch ein auf diese Weise eng definiertes Vorkaufsrecht würde einen Markteingriff darstellen. Dieser bezieht sich zwar nicht auf den Preis, jedoch auf die Wahl des Vertragspartners. Das Vorkaufsrecht im bäuerlichen Bodenrecht sowie zweckgebundene kantonale Regelungen zeigen jedoch, dass der Markteingriff unter bestimmten Bedingungen sinnvoll sein kann. Die Würdigung der zur Diskussion gestellten Regelung kommt zum Schluss, dass damit zwar ein leichter Eingriff in die Eigentumsgarantie und in die Wirtschaftsfreiheit vorliegen würde. Ein fakultatives, preislich nicht limitiertes und vielfältig eingeschränktes Vorkaufsrecht der Gemeinde würde jedoch der Umsetzung der in Artikel 108 der Bundesverfassung (Wohnbau- und Wohneigentumsförderung) formulierten Aufgabe dienen und wäre durch ein öffentliches Interesse legitimiert. Zudem könne in der vorgeschlagenen Form der Markteingriff als verhältnismässig beurteilt werden, und die Grundrechte würden im Kern nicht angetastet. Im Ergebnis könne festgestellt werden, dass ein gesetzliches Vorkaufsrecht für Gemeinden auf Bundesebene dem öffentlichen Interesse entsprechen und eine der Massnahmen von Art. 108 BV (Wohnbau- und Wohneigentumsförderung) darstellen soll. Die Umsetzung soll allerdings auf Gemeindeebene stattfinden, weil die Gemeinden die Bedürfnisse und den lokalen Handlungsbedarf am besten kennen. Mit einer gesetzlichen Grundlage auf Bundesebene würde auch die Finanzierung geregelt werden, denn für alle Beteiligten wäre eine Einführung mit hohem Aufwand verbunden.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die künftige Marktentwicklung aufgrund der veränderten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen unsicherer geworden ist. Diese Nachteile überwiegen aus Sicht des Bundesrates die Vorteile eines solchen Instruments. Der Bundesrat hat deshalb entschieden, das Vorkaufsrecht für Gemeinden zunächst nicht weiterzuverfolgen. Der wohnungspolitische Dialog soll jedoch bis Ende 2016 fortgesetzt werden.

Olivier Jann
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Maira Gall