27.06.2013

Keine guter Glaube beim Unterlassen der gebotenen Aufmerksamkeit (BGE 5A_372/2012)

In der NZZ vom 26. Juli 2013 wurde BGE 5A_372/2012 besprochen:

Der Beschwerdegegner besitzt eine bedeutende Sammlung an modernen Kunstwerken. Darunter das im Jahr 1989 gekaufte Gemälde „Diener mit Samowar“ des russischen Künstlers Kasimir Malewitsch. Der Verkauf des Bildes erfolgte in Kommission über eine Galerie in Genf, wobei der Veräusserer unbekannt blieb. Vor dem Verkauf hat eine Expertin dem Beschwerdegegner die Echtheit des Gemäldes bestätigt und ihm von einem Gerücht erzählt, wonach sich ein gestohlenes Bild von Malewitsch auf dem Markt befände. 

Im Jahr 2004 klagte der Beschwerdeführer auf Herausgabe des Gemäldes. Er machte geltend, sein Vater habe das Gemälde 1970 erworben und es sei 1978 aus der elterlichen Wohnung im damaligen Leningrad (heute St. Petersburg) gestohlen worden. Sowohl das Bezirksgericht als auch das Obergericht wiesen die Klage ab. Dagegen erhob der Beschwerdeführer in Anwendung von Art. 72 BGG Beschwerde in Zivilsachen. 

In einem ersten Punkt führte das Bundesgericht aus, dass das am 1. Juni 2005 in Kraft gesetzte Bundesgesetz über den internationalen Kulturgüterverkehr vom 20. Juni 2003 und die darin vorgesehene einjährige relative, bzw. 30-jährige absolute Verjährungsfrist nicht anwendbar sei, weil der Verkauf im Jahr 1989 erfolgte. Es gelte daher die Fünfjahresfrist für abhanden gekommene Sachen gemäss Art. 934 ZGB

Der Erwerber einer Sache gilt grundsätzlich als gutgläubig. Der frühere Besitzer muss daher den Beweis für den bösen Glauben des Erwerbers erbringen. Der Gutglaubensschutz versagt – abgesehen von der Bösgläubigkeit – auch dann, wenn der gutgläubige Erwerber den Rechtsmangel nicht kennt, weil er beim Erwerb der Sache jene Aufmerksamkeit vermissen liess, die von ihm nach den Umständen verlangt werden durfte (Art. 3 Abs. 2 ZGB). Wird nicht die gebotene Aufmerksamkeit aufgewendet, zieht dies die gleichen Rechtsfolgen nach sich wie die Bösgläubigkeit. Der Grad der Aufmerksamkeit richtet sich nach den Umständen und ist eine Ermessensfrage. 

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass der Beschwerdegegner vom Diebstahl im Jahr 1978 hätte wissen müssen. Er sei daher nicht im guten Glauben gewesen, weshalb er gestützt auf Art. 936 ZGB die Herausgabe des Gemäldes verlangen könne. Das Obergericht hat dem widersprochen: Nach der Prüfung der vorhandenen Beweismittel und Zeugenaussagen kam es zum Schluss, dass der Beschwerdeführer vom Diebstahl weder gewusst hat, noch davon habe wissen müssen. 

Das Bundesgericht hat diese Sichtweise abgelehnt und die Sache zurück ans Obergericht geschickt, mit der Begründung, dass noch verschiedene Fragen zu klären seien, u.a. ob der unbekannte Verkäufer überhaupt über das Gemälde verfügen durfte. 

Zudem ist das Bundesgericht der Ansicht, dass der Beschwerdegegner weitere Abklärungen hätte treffen müssen. Schließlich hätte ihm aufgrund des ihm zugetragenen Gerüchts bewusst sein sollen, dass es sich bei dem „Diener mit Samowar“ um jenes gestohlene Gemälde handeln könnte – zumal sich in jener Zeit kaum Bilder von Malewitsch auf dem Markt befanden. Für das Bundesgericht sei es daher naheliegend, dass beim Kauf die damals beigezogene Kunstexpertin oder eine andere sachverständige Person zu den Diebstahls-Gerüchten hätte befragt werden sollen. 

Dass der Beschwerdegegner diese als geeignet erscheinende und zumutbare Massnahme nicht ergriffen habe, müsse dazu führen, dass er sich nicht auf seinen guten Glauben berufen könne. Die Beschwerde sei insoweit gutzuheissen. 

Allerdings könne das Bundesgericht derzeit nicht in der Sache selbst entscheiden. Vielmehr sei die Angelegenheit in Anwendung von Art. 107 Abs. 2 BGG an das Obergericht zurückzuweisen. Das Obergericht werde sich zur Frage der Nichtberechtigung des Verkäufers zu äussern haben und zu allfälligen Einreden gemäss Art. 936 Abs. 2 ZGB

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Maira Gall