03.06.2013

In der Schweiz wird der Vorsorgeausgleich bei der Scheidung verbessert

Bei einer Scheidung werden neben der Aufteilung des ehelichen Vermögens – der sogenannten güterrechtlichen Auseinandersetzung – auch die Guthaben in der 2. Säule (Pensionskassen- bzw. Freizügigkeitsguthaben) aufgeteilt (vgl. Art. 122 ff. ZGB, Art. 22 FZG). 

Gemäss geltendem Recht wird diese Aufteilung jeweils hälftig vorgenommen, so dass nach der Scheidung beide Ehegatten über das gleiche Guthaben in der 2. Säule verfügen. Eine Scheidungskonvention, in welcher sich die Ehegatten aber auf eine von dieser Vorschrift abweichende Regelung geeinigt haben, wird von den meisten Gerichten nur sehr zurückhaltend genehmigt: ein ganzer oder teilweiser Verzicht auf eine Teilung ist in Anwendung von Art. 123 ZGB nur dann möglich, wenn eine entsprechende Alters- und Invalidenvorsorge auf andere Weise gewährleistet ist oder wenn sie aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung offensichtlich unbillig wäre. 

Keine hälftige Teilung findet zudem statt, wenn bei einem oder bei beiden Ehegatten ein sogenannter Vorsorgefall eingetreten ist. Das ist u.a. beim Erreichen des Pensionsalters oder bei Invalidität der Fall, infolgedessen bereits Leistungen aus Vorsorge bezogen werden. In diesen Fällen sieht Art. 124 ZGB vor, dass nicht die Hälfte, sondern stattdessen eine angemesse Entschädigung geschuldet ist. 

Zu mangelhaften Ergebnissen führt die geltende Regelung vor allem dann, wenn die Gerichte Scheidungskonventionen genehmigen, welche gegen die erwähnten Vorschriften verstossen. Das trifft insbesondere Ehefrauen, die wegen Betreuungsaufgaben während der Ehe keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen sind und deshalb über kein ausreichendes Vorsorgeguthaben verfügen. Auf der anderen Seite sind die Ehegatten wegen den starren gesetzlichen Vorschriften nicht in der Lage eine den Umständen angemessenere, sprich flexiblere Teilung vorzunehmen. 

Hier will die Bundesregierung jetzt eingreifen. Gemäss Medienmitteilung des Bundesrats vom 29. Mai 2013 hat er die Botschaft zu einer entsprechenden Änderung des Zivilgesetzbuches verabschiedet. 

Künftig soll nach dem Eintritt eines Vorsorgefalles nicht mehr bloss eine "angemessene Entschädigung" geschuldet sein, sondern wie im Normalfall die hälftige Teilung durchgeführt werden. Bei der Berechnung gibt es grundsätzlich zwei mögliche Konstellationen: 

(i) Die Invalidität - und damit der Vorsorgefall - tritt vor dem Rentenalter ein: es wird auf das hypothetische Vorsorgeguthaben abgestellt, auf welches diese Person Anspruch hätte, wenn die Invalidität entfallen würde. 

(ii) Die Invalidität tritt nach dem Rentenalter ein: hier geschieht der Vorsorgeausgleich durch Teilung der Rente, welche der ausgleichsberechtigte Ehegatte lebenslänglich erhält.

Neu soll als Stichtag für die Berechnung der zu teilenden Leistung der Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens gelten und nicht mehr der Tag, an dem das Scheidungsurteil rechtskräftig wird. Diese Änderung kann bei langjährigen Scheidungsprozessen zu wesentlichen Einsparungen führen.

Allerdings sind auch künftig Ausnahmen von der hälftigen Teilung vorgesehen: Die Ehegatten sollen die Möglichkeit haben sich auf ein anderes Teilungsverhältnis zu einigen oder sogar teilweise bzw. ganz auf den Vorsorgeausgleich zu verzichten, wenn ihre Vorsorge dadurch nicht in Frage gestellt wird. 

Neben diesen Änderungen soll die Vorsorgeeinrichtung in Zukunft verpflichtet werden, sämtliche Vorsorgeguthaben automatisch der Zentralstelle 2. Säule zu melden. Dadurch wird es den Gerichten und Anwälten künftig erleichtert, die Vorsorgeguthaben in einem Scheidungsprozess zu eruieren und korrekt aufzuteilen. Es soll zudem sichergestellt werden, dass kein Ehegatte während der Ehe Vorsorgeguthaben bezieht, ohne dass der andere davon weiss. Schliesslich soll ein Ehegatte Vorsorgeguthaben, welches er bei der Scheidung erhält, bei der Auffangeinrichtung in eine Rente umwandeln lassen können. 

Endlich wird auch der Umgang mit internationalen Verhältnissen klarer: Für den Vorsorgeausgleich und die Teilung von Guthaben bei schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen sind künftig ausschliesslich die schweizerischen Gerichte zuständig. Auf diese Verfahren und auf die Scheidung selbst wird Schweizer Recht angewendet. 

Damit auch bereits geschiedene Ehegatten von diesen Verbesserungen profitieren können, sollen Renten, die nach bisherigem Recht als angemessene Entschädigung i.S. von Art. 124 ZGB zugesprochen wurden, in eine lebenslange Rente umgewandelt werden können. Ein solcher Rentenanspruch wird selbst nach dem Tod des verpflichteten Ehegatten lebenslänglich ausbezahlt. 

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Maira Gall