02.05.2013

HIV-Ansteckung nicht automatisch schwere Körperverletzung

Am 19. März 2013 publizierte das Bundesgericht einen einschlägigen Entscheid rund um das Thema HIV-Ansteckung, welcher aus der rechtlichen Perspektive ein neues Licht auf diese heimtückische Krankheit wirft (BGer 6B_337/2012). Bisher qualifizierte das Bundesgericht die HIV-Infektion in seiner Rechtsprechung als lebensgefährliche Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB (bzw. Art. 125 Abs. 2 StGB). Dabei ging es davon aus, dass der HI-Virus bei den Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch von AIDS und anschliessend mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod führte. Die Lebensgefahr musste zeitlich nicht unmittelbar und akut sein. Massgeblich sei einzig der höchstwahrscheinlich tödliche Verlauf.

Das Bundesgericht macht nun einen Praxiswechsel. Angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten lasse sich nicht mehr sagen, dass der Zustand der Infiziertheit mit dem HI-Virus schon als solcher generell lebensgefährlich im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB sei. Mit modernen antiretroviralen Kombinationstherapien sei es möglich, den Ausbruch von AIDS hinauszuschieben und die Vermehrung der Viren aufzuhalten, sodass bei früher Diagnose und guter Behandlung die Lebenserwartung nicht massgeblich verkürzt sei. Es schlussfolgerte, dass damit der tödliche Verlauf und somit die Lebensgefahr im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB nicht mehr automatisch gegeben sei.

Nichtsdestotrotz hält das Bundesgericht aber fest, dass die HIV-Infektion auch weiterhin eine nachteilige pathologische Veränderung mit Krankheitswert darstelle. Das Bundesgericht liess es im vorliegenden Fall aber offen, ob es unter den Tatbestand der einfachen oder schweren Körperverletzung zu subsumieren ist. Die rechtliche Einordung wird davon abhängig gemacht, welchen physischen und psychischen Belastungen der Betroffene konkret ausgesetzt ist. Da diese Rechtsfragen durch die Vorinstanz nicht behandelt wurden, wurde der Fall ans Obergericht des Kantons Zürich zurück geschickt.

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Maira Gall