16.05.2013

Genugtuungsanspruch des Konkubinatspartners gem. Art. 47 OR (BGE 138 III 157)

Das Bundesgericht hat im zitierten Entscheid festgehalten, dass ein stabiles Konkubinatsverhältnis einen Anspruch auf Genugtuung im Sinne von Art. 47 OR zugunsten des überlebenden Konkubinatspartners begründen kann.

Ausgangslage bildet ein Unfall zwischen einem Motorradfahrer und einem PKW. Die Autofahrerin hat dem Motorrad bei einer Kreuzung den Weg abgeschnitten und es kam zum Zusammenstoss, bei dem der Motorradfahrer tödlich verletzt wurde. Der Verstorbene war noch verheiratet, lebte aber seit vier Jahren mit seiner neuen Partnerin in einem stabilen Konkubinat.

Angehörige, und damit auch Konkubinatspartner, fallen unter den Opferbegriff des Opferhilfegesetzes. Das gibt ihnen u.a. die Möglichkeit Genugtuungszahlungen zu beantragen, wenn die Voraussetzungen dazu erfüllt sind. Allerdings ist eine Genugtuungszahlung durch den Staat, basierend auf dem OHG, subsidiär, wenn eine Zivilforderung gegenüber dem Unfallverursacher geltend gemacht werden kann. Zur Frage, ob ein Konkubinatspartner auch Anspruch auf eine Genugtuung im Sinne von Art. 47 OR hat, äusserte sich das höchste Gericht bisher nicht.

In seiner Argumentation verglich das Bundesgericht die französische und die deutsche Fassung von Art. 47 OR: Während es im französischen Text die ‚famille‘ ist, welche Genugtuungszahlungen erhalten kann, sind es in der deutschen Fassung die ‚Angehörigen‘. Die Richter waren der Ansicht, dass die deutsche Version der Französischen vorgezogen werden müsse. Denn aufgrund der sozialen Entwicklung und der steigenden Zahl von Paaren, die in einem Konkubinat leben, müsse der Konkubinatspartner als Angehöriger gelten. Er wäre ansonsten von der Anwendung des Art. 47 OR ausgeschlossen, bloss weil er nicht Teil der ‚famille‘ sei.

Im Resultat hat die Konkubinatspartnerin des Verstorbenen gestützt auf Art. 47 OR einen zivilrechtlichen Anspruch auf eine Genugtuungszahlung gegenüber der Unfallverursacherin.

Rouven Brigger
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Maira Gall