Die deutsche Datenschutzkonferenz (DSK) veröffentlichte am 18. Februar 2022 ihre Orientierungshilfe „zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten für Zwecke der Direktwerbung unter Geltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)".
In diesem Zusammenhang wird der Begriff der „Werbung“ weit verstanden: Darunter fällt „jede Äusserung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschliesslich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern" (vgl. Art. 2 lit. a der EU-Richtlinie 2006/114/EG). Innerhalb dieser Definition gilt "die unmittelbare Ansprache der Zielperson” als Direktwerbung. Letztere kann in unterschiedlicher Form erfolgen, "z.B. postalisch, per E-Mail, Telefon, Fax oder SMS.”
Anders als unter dem Regime des schweizerischen Datenschutzgesetzes (Grundsatz der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt), muss sich eine Datenverarbeitung im Anwendungsbereich der EU DSGVO stets auf eine Rechtsgrundlage (vgl. Art. 6 EU DSGVO) abstützen - hier gilt der Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt.
Die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Direktwerbung stützt sich regelmässig auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ("Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen”). Dazu enthält die Orientierungshilfe zahlreiche Ausführungen: Danach müssen die Interessen des datenschutzrechtlich Verantwortlichen sowie der betroffenen Person im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Dabei spielen die "vernünftigen Erwartungen" der betroffenen Person eine Rolle. Die DSK ist, wie immer, streng und vertritt die Meinung, dass die (stets subjektiv gefärbte) Erwartung der betroffenen Person nicht durch die Pflichtinformationen (vgl. Art. 13 ff. EU DSGVO) "erweitert" werden könne. Dies hätte zur Folge, dass der Verarbeitung bestimmter, "objektiv vernünftigerweise nicht erwartbarer" Formen der Direktwerbung die Abstützung auf das berechtigte Interesse des Verantwortlichen verwehrt bliebe - trotz einer transparenten, verständlichen Orientierung darüber.
Ferner legt die DSK ihre Auffassung zur Interessenabwägung folgender "Grobkategorien" im Zusammenhang mit Direktwerbung dar (vgl. Ziff. 1.3.2 Orientierungshilfe):
i) Zusendung von Werbung nach Bestellung ohne Selektion oder nach Selektion ohne zusätzlichen
Erkenntnisgewinn (ohne Profiling): In dieser "Grobkategorie" fällt die Interessenabwägung in der Regel zu Gunsten des Verantwortlichen aus.
ii) Zusendung von Werbung nach Bestellung und Selektion (Profiling): Hier scheint sich die DSK am Profiling als "Vorleistung" für gezielte Werbung zu stören, weswegen die Interessenabwägung in der Regel zu Gunsten der betroffenen Person (und nicht des Verantwortlichen) ausfallen solle.
iii) Ansprache per Telefonanruf, E- Mail, Fax etc.: Die DSK verknüpft das Schicksal der datenschutzrechtlichen Interessenabwägung in Bezug auf die Auswahl des Kontaktmittels mit dessen Zulässigkeit gemäss (deutschem) UWG. Danach führe ein Verstoss gegen das (deutsche) UWG „automatisch“ zum Verlust des berechtigten Interesses gemäss DSGVO an der Datenbearbeitung durch den Verantwortlichen.
iv) Nutzen der E-Mail-Adressen von Bestandskunden: In dieser "Grobkategorie” fällt die Interessenabwägung in der Regel zu Gunsten des Verantwortlichen aus, sofern auch hier das deutsche UWG eingehalten werde.
v) Nutzen von Telefonnummern: Im B2C-Bereich fällt hier die Interessenabwägung gemäss DSK zu Gunsten der betroffenen Person, d.h. des Konsumenten, aus. Demnach sei Art. 7 Abs. 1 DSGVO i.V.m. 7a UWG anwendbar, weswegen eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person eingeholt werden müsse. Im B2B-Bereich, d.h. gegenüber "professionellen" Marktteilnehmern, geht die DSK von deren "mutmasslicher Einwilligung“ aus, wobei für den Anruf ein konkreter und aus dem Interessenbereich des Anzurufenden herzuleitender Grund vorliegen müsse (dies könne z. B. ein geschäftlicher Vorkontakt sein).
Michal Cichocki