30.09.2017

BGer 1B_75/2017: Die Beweisverwertung rechtswidrig erhobener Beweise im Strafverfahren

Ein Beschuldigter bezog wegen eines Autounfalls eine IV-Rente. Im Auftrag des Haftpflichtversicherers wurde der Beschuldigte während Jahren durch Privatdetektive observiert. Diese private Observation kam zu einem anderen Schluss als das psychiatrische Gutachten, welches für die IV-Rente hinzugezogen wurde. Der Versicherer reichte Strafanzeige ein und erhob Strafklage wegen gewerbsmässigen Versicherungsbetruges.

Der Beschuldigte wehrte sich noch im laufenden Strafverfahren gegen die privaten Observationen und bezog sich insbesondere auf die neueste Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wo die Schweiz insbesondere mangels hinreichender Gesetzesgrundlage für private Observationen durch Versicherer verurteilt wurde (EGMR vom 16. Oktober 2016, Nr. 61838/10).

Es stellt sich nun die Frage, ob diese rechtswidrig erhobenen Beweismittel strafprozessual verwertbar sind. Das Bundesgericht hält in diesem Zusammenhang fest, dass nicht automatisch von einer Unverwertbarkeit auszugehen sei (Erw. 4.3). Grundsätzlich obliege die Frage der Verwertbarkeit von Beweismitteln im Strafprozessrecht dem Sachrichter. Von diesem könne erwartet werden, dass dieser in der Lage sei, die unzulässigen Beweise von den zulässigen zu unterscheiden. Davon zu unterscheiden seien die allgemeinen Beweisverwertungsverbote i.S.v. Art. 141 f. StPO. Da die Observationen keine verbotenen Beweismittel im Sinne von Art. 140 StPO seien, bestehe kein Fall der absoluten Unverwertbarkeit gemäss Art. 141 Abs. 1 StPO (Erw. 4.5). Deshalb kam das Bundesgericht zum Schluss, dass diese Akten im Strafverfahren bleiben und der Sachrichter abschliessend entscheiden müsse, ob die Beweise verwertet werden dürfen.

Andreas Dudli
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Maira Gall