25.05.2017

BGer 6B_1199/2016: Das ärztliche Berufsgeheimnis im Rahmen einer vertrauensärztlichen Untersuchung zuhanden des Arbeitgebers

Das Bundesgericht musste sich im Entscheid 6B_1199/2016 vom 4. Mai 2017 mit dem Berufsgeheimnis im Zusammenhang mit der Erstellung einer vertrauensärztlichen Untersuchung zuhanden des Arbeitgebers befassen. Diese Untersuchung wurde vom Arbeitgeber des Patienten gefordert, nachdem diesem wegen Differenzen eine vollständige Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde.

Ein Tag nach der vertrauensärztlichen Untersuchung überlieferte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie seine Beurteilung an den Arbeitgeber. Diese enthielt detaillierte Informationen zur Diagnose und zur Anamnese.

Das Bundesgericht hielt letztinstanzlich fest, dass ein Vertrauensarzt nur diejenigen Angaben erheben darf, welche die Eignung des Arbeitnehmers für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind, worunter Tatsache, Dauer und Grad der Arbeitsunfähigkeit sowie die Antwort auf die Frage, ob es sich um eine Krankheit oder einen Unfall handle, fallen (Erw. 2.2). Insbesondere verneinte das Bundesgericht, dass ein medizinischer Gutachter nicht dem Berufsgeheimnis gemäss Art. 321 StGB unterstellt sein soll. Der Arbeitnehmer habe ein schützenswertes Interesse, die Ergebnisse einer vertrauensärztlichen Untersuchung (abgesehen von den zuvor aufgeführten Informationen) geheim zu halten (Erw. 1.2).

Ob und in welchem Umfang der Arzt dem Arbeitgeber hätte berichten dürfen, hänge vom Umfang einer Entbindungserklärung ab. Die vom Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang unterzeichnete Erklärung „zuhanden Kostenträger (…) (u.a. Arbeitgeber) ärztliche Zeugnisse zu verfassen“ erlaube nicht automatisch, über den oben zitierten Rahmen von ärztlichen Zeugnissen hinauszugehen (Erw. 3.1).

Der Arzt wurde wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses schuldig gesprochen.

Andreas Dudli
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Maira Gall